Aufgrund der Beschreibungen sparte ich mir die vier lokalen Bands, es war einfach nicht meine Musikrichtung und war pünktlich zum Beginn von LEICHENWETTER in den Innereien der Burg angelangt. Die Bühne wurde mit vier Fackeln geschmückt (na ja drei, links vorne war sie leider nicht entflammbar). Mit Masken vermummt betraten die Musiker die Bühne und zum Schluß erschien dann auch Sänger Andre. Musikalisch ist es harte Gitarrenmusik mit einem düsteren Unterton. Brachial und melodiös zugleich. Zu Gehör brachte man die Songs der aktuellen CD "Urworte", in der man die Texte Deutscher Dichter und Denker mit einer unnachahmlichen Art in eine musikalische Moderne trägt. Die Bühnenshow war geprägt von Feuerspielen und der hervorragenden Stimme von Andre alias Numen. Der Band gelang es immer wieder bei aller monumentalen Härte, eine balladeske, tragische Seite zu offenbaren. Eine musikalische wie stimmliche Rock Oper in teils kompromissloser Vehemenz. "Nur dich" (Text: Else Lasker Schüler) dient hierfür perfektes Beispiel. Das elegisch dargebotene "Verführer" (Text: Herman Hesse) dürfte beim Refrain selbst in des Verfassers verwesten Knochen für Gänsehaut sorgen. Auch wenn es hart für die anderen Bands klingen sollte, hier hat der heimliche Headliner des Abends bereits früh seine Visitenkarte abgegeben.
Die Dortmunder HONIGDIEB um Mastermind Sir Hannes (Idiots/ Phantoms of Future) boten dann eine ganz seltsame Mischung aus Punk, Ska, Rock und Pop. Sir Hannes hatte seinen Oberkörper gelb bemalt, was nicht etwa Auswirkungen der zu erwarteten Leberzirrhose waren, sondern natürlich die Überreste des gestohlen Honigs. Die Band und vor allem Hannes verbreiteten Spaß in der schrägsten Form. Tiefste Melodiösität, Energie und Karibik Feeling vereinigten sich im Opener "auf der Suche nach dem Glück". Der kunterbunte Soundtrack lieferte natürlich auch die anzüglichen Texte wie "ach du süße Kleine" oder "Lust auf Lust". Die hagere gelbe Person wurde zum perfekten Selbstdarsteller, als er die Boxen erklomm oder den Zylinder auf seinem Kopf mit wilden Tanzeinlagen auf dem Schädel wandern ließ. Bei "Das Tier" lies man einen Managertypen mit Aktentasche auf der Bühne aufmarschieren. Der Mund verklebt mit einem Klebeband wurde dieser Typ zu guter letzt auch noch von Sir Hannes überrannt. Im Gegensatz zu früheren Idiots Zeiten ist ihre Gesellschaftskritik sehr metapherhaft geworden. Die Huldigungen der Trinkgewohnheiten ist einem dezenten Sex gewichen. Und zwischendurch gibt es dann solch traurige, balladeske Stücke wie "Tag ohne Schatten". Insgesamt eine spannende Tragikomödie, perfekt inszeniert.
FIDGET aus Düsseldorf konnten mich dann Live ebenso wenig überzeugen, wie auf CD. Krachige Gitarren, wilde Stimmbandorgien, der des Öfteren in markerschütterndem Geschrei ausartete. Das Ganze zwar sehr druckvoll inszeniert, aber insgesamt viel zu hektisch und unmelodiös für meine Ohren. So sehr sich die Sängerin auch bemühte, ihr gelang es nicht, Stimmung beim Besucher zu erzeugen. Evtl. lag es an der grauenvollen Musik und der stimmlichen Verfehlungen, man weiß es nicht.
ZOFF kommen aus dem Sauerland und ihr aufgesagtes Gedicht als Intro machte dieses mehr als deutlich. Der Band gelangen im Zuge der damaligen NDW kleine lokale Hits, wie das weit über die Grenzen des Sauerlandes bekannte "Sauerland". Diese Stück wählten sie auch als Opener. Allerdings nur in gekürzter Version, bis es dieses Stück in voller Läge gab hieß es 70 Minuten durch die verschieden Phasen der Band zu wandern. "Gimme Gummi", das kritische "Faxen machen", die Huldigung einer kleinen Stadt "Letmathe" und das mittlerweile von aktuellen Ereignissen überholte "100 Mark" lieferten einen perfekten Querschnitt, allerdings merkte man den Altrockern auch den fortschreitenden Altersprozess an. Und nicht nur Crüxshadows, die verzweifelt auf das Ende des Auftritts warteten, waren froh, als man endlich eine aufgemotzte Version des Klassikers "Sauerland" zum Besten gab. Das mittlerweile total durchnässte Publikum tanzte im strömenden Regen und sang ihre Hymne lauthals mit.
Die Show der Crüxshadows litt dann auch extrem unter den Wetterbedingungen. Während Sänger Roque ansonsten inmitten des Publikums herumspaziert und auch für das Burgrock die Eröffnung mit einem Gang durch die Menge geplant war, engte er sein Spazierfeld diesmal doch kräftig ein. Trotzdem war es wie immer eine gelungene Show. Elektronisch inspirierter Goth Rock mit einer leichten Tendenz zum Mittelalter/Klassik, welches im defizilem Violinenspiel seine Ausdrucksform fand. Zwei leichtbekleidete Tänzerin sollten dann die klatschnasse männliche Fraktion vor der Bühne in Wallung bringen. Dieser Ausflug in den modernen Bühnenkitsch bleibt einziger Kritikpunkt an den Amerikanern. Ansonsten war der Auftritt musikalisch und stimmlich solide wie immer.
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