SECRET GARDEN FESTIVAL - Hannover, Bad 11.06.-13.06.04

Und wenn ich mich wiederhole, solange sich nichts ändert, werde ich immer wieder auf die frappierende und Magengeschwürerzeugende, überteuerte Nahrung hinweisen. Diesmal war es aber noch eine Spur extremer. Eine gefüllte Pizza, die einzig aus Teig, vier Champions und altem Käse bestand und zudem (Geruch und Geschmack liessen jeniges vermuten) im Öl der letzten Silvester Party badete. Das Ganze für den meine-Standgebühren-hole-ich-mit-links-raus-Preis von 3 Euro. Wenigstens hab ich den Betrag nach einer Beschwerde zurück erhalten. Das Bier war ebenfalls nur als Plörre zu bezeichnen und genau so überteuert. Naja, sehen wir das Ganze mal positiv, Ärzte für Inneres werden, solange es Festivals gibt, ihre Praxen immer voll haben.

Das Gelände ist, wie der Name schon sagt, ein altes Schwimmbad. Die Zuschauer standen im großen Schwimmer-Becken und hatten teilweise Angst, dass dieses durch Wolkenbruchartige Niederschläge (teils mit Hagel) auch alsbald gefüllt werde.



REVOLUTION BY NIGHT
Erste Band am Samstag (Freitag und Sonntag waren jeweils noch Indoor Konzerte) war REVOLUTION BY NIGHT (passender Name, schließlich war es am anderen Ende der Welt finstere Nacht), welche sich den Auftritt bei eBay (für einen guten Zweck/krebskranke Kinder) für ca. 470 Euro ersteigerten. Zwei Keyboarder und ein Sänger, der mit seiner düsteren Gesangsstimme ein wenig in Richtung Sisters wandert, während die rein elektronischen Strukturen zwischen 80er EBM und Dark Synth der Neuzeit schwebten. Die druckvollen Kompositionen sind umhaftet von harmonischen Melodiebögen. Allerdings hatte es die Band schwer, die noch dezente Anzahl an Anwesenden zu begeistern, besonders als der Regen einsetzte. Na, ein kleinen Vorteil hatte das feuchte Himmelsgut auch, denn die ersten drei Reihen standen aufgrund der Bühnenüberdachung im Trockenen. Ratet mal, wo die Leute standen, welche ihren Schirm vergessen hatten?


THE CRÜXSHADOWS

THE CRÜXSHADOWS waren dann eine zeitliche Fehlbesetzung. Wer kam denn auf die Idee, die einzige Band, die wirklich extrovertiert (bis auf in Phasen DAS ICH) und Stimmungsverbreitend auftritt, als zweites spielen zu lassen? Häuptling Spitzhaar und mir-ist-die-Bühne-viel-zu-klein-Mensch Rogue suchte von Beginn an die Ausreißzonen. Zunächst evtl. auch wegen dem Regen gingen jenige noch in die Höhe. So sang er "Romeo" nach einer kleinen Kletteraktion in luftiger Höhe. Aber bereits kurz danach suchte er Kontakt zum Publikum und wanderte singend durch die Menge, tanzte zwischendurch mit einem Fan Ringelrein und war auch mal für kurze Zeit entschwunden, als er die Außenbezirke des Bades erkundete. Musikalisch lief nicht alles so perfekt, so war die Gitarre während des gesamten normalen Sets nicht zu hören, dazu fielen zwischenzeitlich mal ein paar Boxen aus. Rogue störte sich kaum daran, bis darauf, dass er zwischenzeitlich seinem Gitarristen tröstend zur Seite stand. Neben diesen Beiden befanden sich auf der Bühne noch die obligatorisch leicht bekleideten Tänzerinnen, ein Keyboarder und Rachel, die erneut mit virtuosem Violinenspiel glänzte und in den rein elektronischen Stücken zusätzlich die Tasten bediente. Vom Set her gab es die typische Mischung aus verträumtem Dark Wave, EBM und verspielter Elektronik mit einem hohen Maß an Melodie. Neben Stücken von der aktuellen CD "Frozen Embers" ("Winterborn", "return" usw.) gab es natürlich auch genügend älteres Material zu hören. Für meinen persönlichen Höhepunkt eines jeden CRÜXSHADOWS Konzerts musste man bis zur ersten und einzigen Zugabe warten. Rogue:"wollt ihr wirklich "Marylin" hören, ohne Gitarre? OK!" Und welch Wunder, nach kurzer Zeit war erstmals (an diesem Tag übrigens auch letztmals) eine Gitarre zu hören. Das Glück kaum fassend, ließ er das Riffing auch ein wenig ausgefeilter erscheinen. Rogue lebte nochmal so richtig auf. Ein klasse Abschluß, auch für unseren Gitarristen, der nach dem Stück von den beiden Tänzerinnen wild umarmt wurde.


DAS ICH

Dann war es Zeit für DAS ICH. Die Band habe ich mittlerweile über 20mal gesehen, aber in den letzten sechs Jahren nur ein einziges Mal. Stefan Ackermann war komplett in rot, zum Teil gekleidet (Hose), zum Teil bemalt (Oberkörper). Bruno (JoJo Effekt?) hatte seine rotgefärbte Haarpracht zu Stierhörnern gestylt und dritter im Bunde war ein neuer Keyboarder, der mit seiner Stimme ein wenig Black Metal Feeling in die Szenerie integrierte. Die beiden Keys waren beweglich auf Rollen angebracht, so dass man wahlweise Stefan mehr Platz bieten konnte oder ihn einzuengen vermochte. Auffällig im Vergleich zu früher war die hohe Anzahl an Backing Vocals und auch im Refrain wurde Stefan nicht nur unterstützt, sondern meist übersungen. Beängstigend sind immer noch seine Pantomimen-Spiele und seine tiefen Blicke, hinzu kommt eine sehr extravagante und ausgefallene Beweglichkeit in den Tanzeinlagen, welche man teilweise nur aus dem Zirkus von Gummimenschen kennt. Neben neuen Sachen, wurden natürlich auch die alten Klassiker wie "Satans neue Kleider" nicht vergessen. Das Schlussstück des normalen Sets brachte aber für viele wohl den Klassiker schlechthin, "Gottes Tod" (Stefan spielte am Mikrofonständer die Szenerie von vor 2004 Jahren nach). Zwar ist die neue Version etwas gewöhnungsbedürftigt, weil die Minimalistik ein wenig in Richtung monumentalem Bombast tendiert. Für die Zugaben hielt man dann noch "KindGott" und "Destillat" bereit. Stefan verabschiedete sich mit "ohne Euch währen wir nicht hier" und Bruno gab noch mal seine Abneigung für MESH zum Besten mit der Verabschiedung "viel Spaß mit DEINE LAKAIEN und ein bisschen Trip Pop.


MESH
Die Engländer von MESH waren dann wirklich keine Offenbarung. Eine moderne Variante des 80er WAVE Pops. Melodiös bis hin zum Kitsch und leider vollkommen emotionslos dargeboten. Und immer wieder diese Fragen: Ist das jetzt ein Cover von Ultravox, nee, ein Cover von Visage oder doch Depeche Mode? Warum spielen VNV Nation hier? Das kenn ich, dafür musste letzten Freitag der DJ leiden, nee doch nicht. Wäre der Gesang weiblich, würde ich glatt denken......???????


DEINE LAKAIEN

Den Abschluß des Tages bot dann der überzeugende Auftritt von DEINE LAKAIEN, oder sollte ich besser sagen die Wahnsinns-Fingerfertigkeit von Ernst Horn. Die Band schrumpfte für diesen Auftritt zum Duo. Alexander wurde allein vom Piano begleitet. Was Ernst an diesem Instrument zelebrierte, ist einzig mit dem Wort GENIAL zu bezeichnen. Egal ob er die Tasten sanft streichelte oder sie wie ein Wilder malträtierte, egal ob er Ruhe ausstrahlend Claydermann die lange Nase zeigte oder ob er der Tasten müde die Innereien des Klaviers mit Trommelarien bespielte ("The mirror men"), was raus kam, war perfekt. Unter seinen Händen ist das Klavier nicht einfach ein Instrument, es ist ein Orchester. Insgesamt ein sehr gefühlvoller Auftritt, wobei der warme Gesang konträr zur expressionistischen Spielweise lief. Alte Klassiker wie "Dark Star" oder "love me to the End" waren ebenso vertreten wie neuere Stücke ("Wunderbar", Where you are", "return"). Etwas Schade war, dass man im Gegensatz zu früheren Akustik Konzerten auf die Violine verzichtete.


FAZIT
Dafür, dass weder Gitarren noch Schlagzeuge die Bühne bevölkerten, war es ein sehr gutes Konzert. Einzig MESH fielen etwas ab, was aber Geschmackssache ist, da hier die Stimmung an einigen partiellen Stellen überkochte. Es wäre perfekt gewesen, wenn CRÜXSHADOWS an der Stelle vom Mesh gespielt hätten und dafür IN MITRA MEDUSA INRI (die spielten am Tag zuvor) als zweiter Act.
Organisatorisch war alles perfekt , es gab kaum Zeitverschiebungen und fast alle Bands hatten die Möglichkeit einer Zugabe. Kritik: Die Gästeliste war ein reines Durcheinander (hatte im Endeffekt aber einen kleinen Vorteil, darüber werde ich aber schweigen)
Das Ambiente ist punkig-alternativ. Positiv auch die reichliche Anzahl an Sitzmöglichkeiten und die schön gestaltete Disco samt Bar im angeschlossenen Laden. Hier wurden während der Festivalpausen vor allem alte Klassiker gespielt. (Gitarren waren hier übrigens nicht ausgeschlossen).
Der Besucherandrang hielt sich in Grenzen, ob dies am Eintrittspreis (war mit 25 Euro aber O.K.) oder am schlechten Wetter lag, sei dahingestellt.
Apropos hingestellt. Die Verkaufsbuden waren wirklich recht lieblos und wild zusammengewürfelt angeordnet, ob dies nun am Wetter lag oder.........
Bier (hatte der Typ hinten links von der Bühne aus jemals zuvor am Zapfhahn gestanden?) und Essen überteuert und schlecht, ob dies nun am Wetter lag oder........
Ach ja, es war übrigens eine problemlose, staulose Anreise, ob dies nun am Wetter lag oder.....