WACKEN ROCKS SEASIDE :: Das kleine Wacken rockt
Aurich vom 28.-30.08.2009
u.a. mit Slayer, Volbeat, U.D.O., Der W, In Extremo, J.B.O., Heaven Shall Burn
(Fotos by Chris)



Das WACKEN OPEN AIR kennt heutzutage ja jeder Mensch. Es gibt WACKEN-Merchandise ohne Ende, "seriöse" Berichte im TV, Radio, Print oder Online, Bücher, Filme und so weiter sind die Folge und ein ganzer Ort freut sich auf dieses Event. Warum soll sich nur ein Ort freuen? Nun gibt es derer bereits drei, denn am letzten August-Wochenende gehen die kleinen Brüderlein namens WACKEN ROCKS SEASIDE und WACKEN ROCKS SOUTH über die Bühne! Viel kleiner konzipiert als das Mutterschiff... ähm Mutterfestival bringt es allerdings nicht minder starke Bands an den Start.
Headliner auf beiden Festivals sind SLAYER und die werden von einer starken Mannschaft verstärkt. Doch zu den einzelnen Bands nachher mehr. Während im Süden in Rieden-Kreuth bereits seit Donnerstag gefeiert wird, wird in Aurich die Bühne erst am Freitag bestiegen, dafür geht es auch bis Sonntagabend. Ich bin jedenfalls gespannt, ob das WACKEN-Branding die Leute bei dem traurigen Wetter (warum es die Woche davor wunderschön war und ab Montag wieder werden soll, weiß wohl nur der gute Petrus, ich frage mal Herrn Araya danach...) vom Sofa locken wird.

Mich locken sie jedenfalls, denn auch wenn ich die komplette Woche richtig dolle knuffen musste (von 6 Leuten waren wir nur zu zweit) und am Freitag bis 17 Uhr arbeiten durfte, ließen wir es uns nicht nehmen, direkt nach meiner Ankunft zu Hause unseren (bereits gepackten) "Tourbus" zu entern und satte 350 km nach Aurich durch den feinsten Feierabendverkehr zu steuern.

Die Fahrt verläuft reibungsloser, als gedacht, auch wenn man auf der Autobahn irgendwelchen telefonierenden und mittelspurblockierenden Tussis in ihren BMW 1ern ausweichen muss. Irgendwie ist Freitagabend wohl die beste Zeit, um im Auto zu telefonieren, denn so viele Fahrer/innen mit Handys am Ohr habe ich selten gesehen. Meine Bitte an alle telefonierenden Autofahrer/innen: wenn ihr schon die Fahrbahn kreuzt, fahrt bitte in die Leitplanke zu eurer Rechten und seht zu, dass eure Trümmerteile keinen anderen Verkehrsteilnehmer treffen, ihr Penner.
Was ebenso besorgniserregend ist, ist die Tatsache, dass das Wetter, je näher wir nach Aurich kommen, immer beschissener wird. Es schüttet und windet, dass es eine wahre Pracht ist, was die Vorfreude allerdings etwas dämpft.

Als wir am Campingplatz ankommen, ergibt sich bereits das erste Problem: der Campingplatz ist eigentlich schon voll! Aber bereits jetzt, kurz nach der Ankunft, erleben wir, was die Norddeutschen ausmacht: Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft! Um unseren Bus unterzubringen werden keine Mühen gescheut und nach einiger Zeit bekommen wir einen (improvisierten) Stellplatz zugewiesen und der Spaß kann losgehen.




Nachdem wir uns wetterfest angezogen haben und uns dann endlich von unserem Campingplatz zum Festivalgelände aufmachen wollen, dauert es nicht lange und wir hören die DIRTY DEEDS. Die sollen wir auch zwanzig weitere Minuten hören, denn so lange dauert der Weg von unserem Campingplatz zum Festivalgelände. Schnell geht anders. Die Band macht akustisch einen geilen Job und die AC/DC-Songs sind ein Garant für gute Laune und fettes Rock'n'Roll-Feeling. Die restliche Spielzeit der DIRTY DEEDS geht dann für den Einlass drauf (tausend Dank an die verständnisvolle und hochgradig freundliche und hilfsbereite Mitarbeiterin an der Abendkasse) und pünktlich zum Showende entern wir endlich das Gelände.

Das Gelände ist ein schönes, nicht zu großes Stück Land mit festen Rasenboden, zwei Bühnen (eine groß, die andere größer) und mittig platzierten Fress-, Sauf-, Klamotten- und Klüngelkrambuden, die einem die Zeit und dem Portemonnaie den Inhalt vertreiben wollen und auch werden. Es wird allerdings gleich klar, dass die Organisatoren es nicht drauf anlegen, ein neues Festival in aktueller Original-Wackengröße aufzubauen, sondern ein kleines, aber feines Festival für den Norden zu etablieren, denn schließlich gibt es das WACKEN ROCKS SEASIDE bereits zum zweiten Mal.




Der erste Headliner des Festival-Wochenendes sind die rosa Soldaten von J.B.O., die allerdings nicht von Natur aus rosa sind, sondern erst im Laufe des Abends zum einen oder anderen rosafarbenem Utensil greifen. Farben sind allerdings auch nur Schall und Rauch und was zählt ist der Entertainment-Faktor und der stimmt mal wieder. Mit "witzigen" Coverversionen habe ich so mein Problem, denn wenn ich das Original hasse oder einfach nur fürchterlich finde, kann mich auch eine witzige Neuauflage nur selten zum Lächeln bringen. An diesem Abend sind meine persönlichen Downer "Head Bang Boing", "Raining Man", "Im Verkehr" oder der Rausschmeißer "Ein Fest". Dem gegenüber aber stehen Klopfer wie "Ich möchte so gerne Metal hör'n", "Bolle", "Verteidiger des Blödsinns", "Gimme Dope, Johanna" oder "Gehen mer halt zu Slayer", die souverän gezockt werden und so bei der feierwütigen Meute für gute Laune sorgt. Die braucht man auch, denn der kalte Wind kann einem schon fast den Spaß rauben. Vito und Hannes versuchen aber, uns prächtig zu unterhalten und es gelingt ihnen auch, aber wenn sie einem Niedersachsen glaubhaft machen wollen, dass es irgendwo in Franken das beste Bier gibt, zeugt das einfach von gerstensaftiger Inkompetenz. "Einbecker Brauherren", meine lieben Freunde, das ist das beste Bier der Welt. Und fangt ja nicht an zu diskutieren!
So beschließt man den ersten Abend mit einem Lächeln, welches einem durch den kalten Wind beinahe einfriert. Aber wer heute schon über die Witterung jammert, gibt sich morgen die Kugel.

Nach einem 20minütigen Marsch kommen wir am Bus an und genehmigen uns einen Schlummertrunk, bevor wir uns in die Kojen hauen.






Der Samstagmorgen beginnt mit METALLICA und SYSTEM OF A DOWN, allerdings nur aus der Retorte, aber besser kann ein Tag eigentlich nicht beginnen. Das Wetter deutet schon an, was wir heute von ihm erwarten können, nämlich bis auf Schnee und Hagel fast alles. Oder anders formuliert: das WACKEN ROCKS SEASIDE ist das erste Festival, bei dem man sich gleichzeitig eine deftige Erkältung und einen Sonnenbrand holen kann.

Irgendwie ist es eine Festivalkrankheit von mir, aber mich interessieren oftmals die ersten Bands im Billing, so dass wir uns, während die anderen Camper noch ihre Kräfte für den Headliner schonen, den Gewaltmarsch auf uns nehmen, eigenhändig einen anderen Weg ausprobieren und trotzdem pünktlich zur Show von SAHG am Gelände aufschlagen.




Hier muss ich auch mal subjektive Kritik anbringen: warum lässt man Bands wie SAHG so früh auf die Bretter, wogegen Langweiler vorm Herrn wie die KAMIKAZE QUEENS am späten Nachmittag die Leute mit ihrer Anwesenheit bestrafen dürfen? Naja, wird wohl seine Gründe haben. Jedenfalls eröffnen SAHG den Festival-Samstag mit ihrem BLACK SABBATH-trifft-DOWN-triff-PINK FLOYD-Mix und geben eine dermaßen geile Show als Visitenkarte ab, dass dieser Billing-Faux Pas in Zukunft definitiv ausbleiben wird. Olav Iversen (g, v), King (b) und vor allem Thomas Tofthagen (g) rocken und riffen sich durch ein grasiges Paralleluniversum, dass es Herrn Iommi und Windstein ein glückliches Grinsen auf das Gesicht zaubern würde. Die psychedelischen Ausflüge passen sich hervorragend in die Songs ein und wieder wünsche ich mir, dass die Band in der Abenddämmerung rocken könnte. Mit der Show habe ich auch eine Lücke geschlossen, die seit 2008 auf ihre Schließung wartet. Da wollte ich mir SAHG nämlich im Vorprogramm von TROUBLE in Hannover reinziehen, aber hätte es aufgrund einer brutalen Diarrhöe damals nicht mal bis zur Haustür geschafft. Jetzt weiß ich also, dass ich damals definitiv was verpasst habe.

Danach kommen die VICTIMS OF MADNESS auf die kleine Bühne und ich bin mir nicht sicher, ob ich sie in meinem Bericht erwähnen soll, denn so was Schlechtes habe ich noch auf keiner Bühne dieser Welt gesehen. Coverversionen werden mit vollem Spaß am Zerstören kaputtgesungen und nachdem man sich erdreistet, "Roots bloody Roots" akustisch unkenntlich zu machen, wird Kathi gesehen, wie sie Geld einsammelt, damit sie einen Anwalt beauftragen kann, der der Band verbietet, weiter aufzutreten. Naja, die anwesenden Zuhörer sind somit VICTIMS OF INCOMPETENCE geworden, aber wir treten schließlich nicht auf. Erklärend sei noch erwähnt, dass es sich um eine "Forumsband" handelt, die grundsätzlich nicht zusammen probt, sondern nur auf den feinsten Festivals zusammen spielt und den Spaß in den Vordergrund stellt. Ich hoffe jedenfalls, dass die Band Spaß hatte, wir jedenfalls nicht. Coole Idee, fragwürdige Umsetzung.

SUIDAKRA waren noch nie meine Baustelle und die Melodiendudelei nutzt sich ziemlich flugs ab, auch wenn ich sagen muss, dass die Band um Arkadius ihre Sache ordentlich macht und sehr sympathisch rüberkommt. Die Menge freut es und die Band bietet einen soliden Auftritt.




Mit GORILLA MONSOON haben wir bereits die zweite Band am Start, die den nebelgeschwängerten Stoner Rock auf ihre Fahnen geschrieben hat und im direkten Vergleich mit SAHG gehen die GORILLAs die Sache mit ordentlich Rock und Roll anstatt Psychedelia an und machen ihre Sache ebenso gut. Auch der beinahe zu poppig geratene Hit vom aktuellen Album "$50 Whore" klingt live viel geiler, weil die Melodien etwas bodenständiger rüberkommt. Frontmann Jack Sabbath bekommt die Meute dann aber doch noch in den Griff, nachdem sie sich anfangs in norddeutscher Kühlheit gezeigt hat und Gitarrist Phil schrammt sich die heavy Riffs aus dem Handgelenk und die Rhythmusfraktion Drumster und Chris sorgen für den fettesten Groove (nach SLAYER). Daumen hoch für die Band aus Dresden für ihre geile Nachmitags-Hellrock-Matinee.




Qualitativ hochwertig geht's gleich auf der Hauptbühne weiter, denn FLOTSAM & JETSAM sind da und wollen mit ihrem Old School-Thrash die Menge begeistern. Und zu meiner Überraschung klappt es auch ohne Probleme, denn die alten Songs wie "No Place for Disgrace", "Hammerhead", "Escape from Within", oder dem Finale "I live you die" verbinden sich großartig mit neueren Songs der Marke "The Master Sleeps" und heute ist die Band tausendmal besser, als auf ihren letzten Live-Konserven. Der typisch epische Thrash Metal klingt frisch wie eh und je und macht mich fast ein bisschen traurig, dass die Band mit den letzten Scheiben nicht an diese Qualität anknüpfen konnte.
Die Herrschaften um Eric A.K., dem alten Knittergesicht, ist in bestechender Form und auch Erics legendäre Stimme klingt heute einfach großartig! An Energie und guten Riffs fehlt es dem Gitarrenduo Ed Carlson und Mark Simpson nicht, auch wenn letzter kurzzeitig die Bühne verlassen muss und erst nach ein paar Minuten wiederkommt. Weiß der Deibel, was er getrieben hat! Ich mag ja vor allem die alten Alben der Band, aber mit welchem Spaß und welcher Energie heute über die Bühne gewirbelt wird, ist weit mehr, als ich zu hoffen gewagt habe. Ganz großes Kino!

PARITY BOOT langweilen mit ihrem Cyber Metal und haben damit eine Gemeinsamkeit mit den KAMIKAZE QUEENS. Nein, nicht den Metal, ihr Banausen! Die transportierte Langeweile! Egal, wie oft ich mir die KAMIKAZE QUEENS auch anschaue, ich kann sie mir nicht schöngucken. Und wie heißt es so schön: wenn man nichts nettes zu sagen habt, soll man lieber schweigen. Wird gemacht.

MOB RULES halten am Samstag die melodische Power Metal-Fahne hoch und Sänger Klaus Dirks animiert das Publikum durch Gesten und Worte, bis es die Fäuste in den Himmel reckt und mitmacht. Die Mucke ist gewohnt gutklassig und auch an der Umsetzung gibt es rein gar nichts zu meckern und auch die vorgestellten neuen Songs treffen voll ins Schwarze (auch wenn mich der eine Track tierisch an einen älteren Song erinnert hat, ich aber nicht drauf komme, an wen), aber irgendwie hat man diese Art des Metals schon zu oft gehört, was die Qualität des Auftritts nicht schmälern darf. Aber wenn ich jede Woche ein Gourmet-Steak esse, habe ich irgendwann keinen Bock mehr drauf. Dennoch sollte man im Oktober und November die Ohren offen halten, denn da erscheint die neue Single und das Album.




HANK III ist der Nachkomme der Country-Legenden Hank Williams und Hank Williams Senior, aber was hat der junge Herr auf einem Metal-Festival zu suchen? Eine Menge! Seine musikalische Bandbreite reicht von Country bis zum Death Metal und auch auf diversen Metal-Alben war er schon zu hören (u.a. auf den SUPERJOINT RITUAL-Alben mit Phil Anselmo). Mit einem Country-Set startet er auch die Show und verstärkt durch Slide-Guitar, Banjo, Kontrabass, zweitem Shouter haut er den Country raus, der sogar mir gefällt, denn er ist räudig, seine Texte sind hart und direkt und die Einstellung ist definitiv Punk. Irgendwie ein junger Johnny Cash, wie ich finde. Der Nachteil an der Show ist, ohne dass Hank der Dritte das zu verantworten hätte, dass ein Platzregen runtergeht, der uns rubbeldikatz klitschnass macht und das soll den weiteren Abend doch stark beeinflussen, denn nasse Klamotten in Verbindung mit eisigem Wind ist ein echter Abtörner. Andererseits wollten wir das Gelände auch nicht verlassen, damit wir keine der Bands verpassen mussten, das ist Metal, oder?!
Kommen wir aber zurück zum guten, alten HANK III: nach einer ordentlichen Country-Kante schnallt er sich die E-Gitarre um und brettert einen Mix aus Death und Extreme Metal raus, der so manchen Anwesenden sicherlich überrascht. Wenn ich ehrlich bin, gefällt mir der High-Speed-Country-Sound um einiges besser, denn Metal haben wir ja schon genug an dem Wochenende, gelle?! Mein Lieblingstrack des Gigs bleibt "6 Pack of Beer". Prost!

ALESTORM sind ein zweischneidiges Schwert. Der relativ originelle Sound wird optisch langweilig und banal rübergebracht und anstatt auf die Schotten/Piratenkacke zu hauen, steht der Sänger mit seinem Bontempi-Keyboard rum und klimpert seine teilweise peinlichen Keyboardsounds runter. Nö, das gibt mir weder akustisch noch optisch nichts, denn das Auge hört einfach mit!




Genau das beweist DER W anschließend auf der Hauptbühne! Mit geiler Lichtshow, beleuchteten Röhren, die mit Mustern und Texten gefüttert werden, agiert DER W bei strömendem Regen agil auf der Bühne und füttert die wasserdichten Rocker mit grandiosen Tracks der Marke "Der W, zwo, drei", "Geschichtenhasser", die endgültige Abrechnung mit der ONKELZ-Vergangenheit "Asche zu Asche", "Mein bester Feind", "Bitte töte mich", das grandiose (im Original von den NORDEND ANTISTARS stammende) "Gewinnen kann jeder" oder der Abgesang "Pass gut auf dich auf". Man spürt die Professionalität, die die Show in Sachen Technik u.a. mit ihren Lichteffekten an den Tag legt, aber das hatte sich schon damals bei den ONKELZ gezeigt und aus diesem Knowhow-Topf schöpft Stephan Weidner mit vollen Händen.
Schön ist auch die Bandvorstellung mit Solospots, aber was etwas nervt, ist das Spiel mit dem Outlaw-Dasein und der ständige Hinweis, dass es viele Leute gibt, die ihn hassen. Lieber Stefan, deine Mucke ist viel zu geil, als dass man dich hassen könnte und auch das WACKEN ROCKS-Publikum steht trotz Schweinewetter zu dir! Es war ein geiler Gig und auch die CD kann ich unseren Lesern wärmstens ans Herz legen. Großartige Rockmusik, die auf Platte etwas verspielter rüberkommt, als live, denn auf der Bühne regiert der heftige Rock.




Noch heftiger wird's bei DEBAUCHERY, den AC/DC des Death Metal. Der Midtempo-lastige Death Metal verfehlt seine Wirkung nicht und auch wenn im Laufe des Gigs die Songs relativ gleichförmig klingen, macht es Spaß, der Band zu Lauschen. Die Affinität in Sachen Blut macht sich nicht nur im blutverschmierten Outfit bemerkbar, auch die Songtitel "Blood for the Blood God", "Hammer of the Blood God", sprechen eine deutliche Sprache, auch wenn die "Demon Lady" zu ihrem Recht kommt. Ein geiler Todesblei-Kracher!




VOLBEAT kenne ich nur aus den übertrieben scheinenden Lobhudeleien des Rock Hard Magazins und konnte mir aufgrund einiger einzelner Tracks keinen Reim drauf machen, warum die Kapelle aus Dänemark so gehypt wird. Jetzt weiß ich aber endlich, dass der Hype nicht ganz unberechtigt ist, denn die Band schafft es hervorragend, Melodie und Härte perfekt in einer Metal-Rock'n'Roll-Rockabilly-Umwelt zu platzieren, die eigentlich keinen kalt lassen kann. Was am gewöhnungsbedürftigsten ist, ist der Gesang von Michael Poulsen, der klingt wie eine Mischung aus Keith Caputo, Glenn Danzig und Elvis Presley und teilweise recht knödelig rüberkommt. Aber der adrett gekleidete Herr schafft es sofort, die Leute auf seine Seite zu ziehen und man merkt, dass viele Leute nur wegen VOLBEAT auf das Festival gekommen sind. Schade, dass der Rest der Band sich nicht an dem schicken Kleidungsstil beteiligt und in normalen Klamotten über die Bühne rockt, so ein Hemd mit Weste macht optisch doch was her.
Auch wenn ich erst skeptisch war, hat mich die Band bekehrt und mich definitiv mit ihrer Musik angefixt. Respekt, meine Herren.

Auf der kleinen Bühne sind die mir unbekannten SECRETS OF THE MOON der kleine Headliner und was soll ich sagen? Überraschung! Böse, schleppend und düster kommt der Black Metal aus den Boxen und da ich vor Nässe und Kälte schon schlechte Laune bekomme, passt sich die Musik perfekt ein. Teilweise habe ich das Gefühl, dass es sich nicht um Songs im klassischen Sinne handelt, sondern die Atmosphäre der Geschichten im Vordergrund steht, was die Band wahrlich interessant macht. Es wird auch selten auf das schrammelige Gaspedal gedrückt, vielmehr kommen doomige Einflüsse zum Tragen, die die harten Parts dann noch um vieles härter erscheinen lassen. Man kann sich jetzt schon auf das neue Album "Privilegivm" freuen, welches Mitte September erscheint.




Während SECRETS OF THE MOON ihren Set spielen, kann man auf der Hauptbühne beobachten, wie alles für SLAYER vorbereitet wird. Sehr interessant ist das Lichtdouble, welches sich auf die choreographierten Stellen begibt, damit alle weißen Spots auf diesen Platz ausgerichtet werden können.
Und dann kommen endlich SLAYER! Die Bühne wird in dichten Nebel getaucht und plötzlich bricht der Orkan los! SLAYER sind wahrscheinlich eine der am meisten gebuchten Festivals-Bands, aber das sind sie zurecht, denn sie pflügen sich tight wie eine Maschine durch Set, dass es fast beängstigend ist. Tom Araya gibt ab und an kurze Ansagen raus, ist aber definitiv nicht in Quassellaune, dafür lässt er ständig seine lockige Matte kreisen und bangt sich schwindelig. Wo viele junge Leute ein Portemonnaie mit einer Kette tragen, trägt Kerry King richtig ausgewachsene Ketten, die Hui-Buh zur Ehre gereichen würden und Jeff Hannemann steht stocksteif am Bühnenrand, die Arme hängen runter und er sieht aus wie der böse Bruder von Michael Myers. Dave Lombardo ist und bleibt einer der grandiosesten Drummer im Genre, daran gibt es nach den folgenden 75 Minuten keinen Zweifel mehr.
Neben alten und jüngeren Klassikern wie "Disciple", "War Ensemble", "Jihad", "At Dawn they Sleep", "Mandatory Suicide", "Chemical Warfare", "Ghosts of War", "Eyes of the Insane", "Payback", "Dead Skin Mask", "Spirit in Black", "Angel of Death" und den Zugaben "South of Heaven" und "Raining Blood" darf man mit "Psychopathy Red" einen neuen Track bestaunen.
Es ist geil, wie Hannemann und King ihre Leads rausschreddern, auch wenn ich meine, dass ab und an einige Töne in den Soli fehlen, aber vielleicht handelt es sich auch nur um Übertragungsschwierigkeiten und meine überforderten Ohren und nicht um unsauberes Spiel.
Auch wenn nach VOLBEAT einige Zuschauer das Gelände verlassen haben, sind immer noch genug Leute da, um dem Auftritt einen würdigen Rahmen zu verpassen. SLAYER sind schlicht und ergreifend eine Macht.







Eiskalt gefroren und in froher Erwartung einer deftigen Erkältung machen wir uns auf den Rückweg und freuen uns auf den Sonntag.

Dieser beginnt für uns ohne Erkältung, aber mit Hannovers finest Thrash-Kapelle CRIPPER. Bis zum Auftritt hat es wie aus Kübeln gegossen, aber pünktlich zum Anpfiff klärt es auf und von nun an wird das Wetter immer besser, von einigen kleineren Schauern mal abgesehen. CRIPPER überraschen mich, denn auch wenn es noch sehr früh am Tage ist, ist die Band schon wach und dermaßen gut aufeinander abgestimmt, dass es eine wahre Pracht ist und man nicht umhin kommt zu bemerken, dass die Band schon einige Gigs abgerissen hat. Allerdings merkt man heute nichts von Routine, sondern die Band wirkt frisch und unverbraucht, Britta macht einige lustige Späßchen und die vorwiegend neuen Songs knallen hervorragend ins Rund. Leider bleibt die Crowdsurf-Einlage von der Frontfrau diesmal außen vor, da sich nicht genug Leute finden, um sie auf Händen zu tragen. Schämt euch! Ich bin fast der Meinung, dass es der bisher beste Gig CRIPPERs war, den ich bisher erleben durfte.

Die Hauptbühne entern dann FREI.WILD. Sie singen "Wir sind FREI! Wir sind WILD! Wir sind FREI.WILD". Nö, Leute, Ihr seid LANG! Ihr seid WEILIG! Ihr seid LANG.WEILIG! Rock mit Saufgeschichten, Oden an den Allohol, Beziehungsstress und viel guter Laune auf und Regen vor der Bühne. Da ich mich wegen des Regens in den CD-Laden verdrücke, kann ich zwar nichts sehen, aber alles hören, aber das haut mich nicht aus den Socken.

Genau wie FIVE AND THE RED ONE. Schmuse-Hard Rock mit Mitsing-Verpflichtung und Pianoballaden. Kommt auf so einem Open Air wirklich nicht sonderlich gut zur Geltung.




Also warten wir lieber auf HEAVEN SHALL BURN, die machen ordentlich Dampf, auch wenn ich die hochgradig sympathischen Jungs für einen Ticken zu wenig abwechslungsreich halte. Der melodische Deathcore oder wie man auch immer die Stilrichtung nennen möchte, kommt zu gleichförmig aus den Boxen und dank des Windes werden die Riffs auch etwas verweht, so dass es alles etwas gleich klingt. Der Sympathiepreis des Festivals geht aber dennoch an die Band, denn sie versucht (erfolgreich) den kleinsten Circle Pit der Welt mit 2 Leuten um eine Pfütze herum zu installieren und bedankt sich ehrlich und ohne Pathos bei ihrer Crew, dem Publikum und allen, die ihnen die Festivals dieses Jahr ermöglicht haben. Dazu wünscht sich Sänger Marcus von einer sexy Tänzerin im Publikum sehnsuchtsvoll, dass sie niemals aufhören möge. Sehr geil!




Respekt verdienen auch die Damen von GIRLSCHOOL. Ohne kosmetische Operationen (jedenfalls keine, die man auf Anhieb entdecken kann), machen sie sich auf, den ehrlichen Rock'n'Roll aufs Festival zu bringen und sie machen es gut. Tolle Songs aus sämtlichen Schaffensphasen der Band sind garantiert und die Gründungsmitglieder Kim McAuliffe (v, g), Enid Williams (v, b) und Denise Dufort (d), zusammen mit Jackie Chambers (die aber auch schon seit 2000 dabei ist) präsentieren u.a. "Race with the Devil", "Screaming Blue Murder" oder "Emergency".
Die Damen haben Spaß, das Publikum auch und was will man mehr, als eine Portion echten Rock'n'Roll?




Was dann kommen soll, ist mein (Sonntags-)Highlight: U.D.O.! Nachdem ich die letzen Alben sehr genossen habe und das aktuelle Livealbum für absolut legendär halte, habe ich mich wirklich auf den Gig gefreut. Ich werde auch in keinster Weise enttäuscht: die Songauswahl stimmt, Udo Dirkschneider ist ein Frontmann mit Format und Stefan Kaufmann (g) mitsamt seinen Kollegen Igor Gianola (g), Fitty Wienhold (b) und Francesco Jovino (d) posen wie in den besten ACCEPT-Zeiten. Die Songs ("Metal Heart", "They want War", "24/7", "Vendetta", "Princess of the Dawn", "Man and Machine", "Thunderball", "Holy" und "Balls to the Walls") sind feinstes Heavy Metal-Futter und verkörpern die Seele des Heavy Metal! Ich habe immer noch eine Gänsehaut, wenn ich an den Gig denke! Für mich ist U.D.O. die perfekte Heavy Metal-Band: großartige Songs, Ausstrahlung und Charisma. Danke Udo, es war mir ein Fest!

Keine der folgenden Bands hätte einen besseren Eindruck hinterlassen können und so grämen wir uns auch nicht, dass wir STRATOVARIUS, AXXIS, DORO, TORFROCK, EDGUY, OHRENFEINDT und IN EXTREMO nicht mehr sehen können und so geht das WACKEN ROCKS-Fest für uns also leider schon zu Ende. Wir haben noch ca. 4 Stunden Fahrt vor uns und am Montag um 6 Uhr die Nacht vorbei ist, also machen wir uns auf den Weg zum Auto und verlassen die gelungene Veranstaltung!

Das Negative an dem Wochenende ist der lange Weg vom Campingplatz zum Festivalgelände und natürlich das Wetter, aber da konnte sogar Herr Araya nichts dran drehen. Die Toiletten auf dem Festivalgelände sind echte Spültoiletten und das ist eine feine Sache, aber auch 50 Cent für's Pinkeln hinzulegen ist doch schon teuer, wenn man den Bierkonsum berücksichtigt. Die Preise an den Fress- und Saufbuden sind typisch teuer für ein Festival, aber man kann sich ja auch außerhalb verpflegen, wenn man den Fußmarsch nicht scheut.

Uns hat es jedenfalls mächtig Spaß gemacht und ich danke der megafreundlichen Securitymacht am Fotograben, allen Beteiligten, die direkt auf dem Festival mit Freundlichkeit und guter Laune dem Wetter getrotzt haben und Britta K. von ICS. (chris)



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