4. SPIRIT FROM THE STREET FESTIVAL :: WIZO machen die Wall Of Freundschaft |
Ballenstedt am 03.09.2010 u.a. mit WIZO, Slime, Dritte Wahl, Discipline, Mark Foggo, Gumbles, Farbenlehre, The Skatoons, Schusterjungs (Fotos by Michi) |
Dass ich WIZO nochmal sehen werde, hätte ich nie gedacht, nachdem die schwäbische Punkband um Axel Kurth im Jahre 2005 offiziell ihren Fans mit ihrer Abschiedstour Lebewohl gesagt hatten. Dass ich eines dieser Abschiedskonzerte auch noch mit Magenkrämpfen fast komplett verpasst hatte, lag mir über die letzten Jahre schwer im Magen. Aber nun spielen WIZO beim SPIRIT FROM THE STREET FESTIVAL 4 in Ballenstedt und da ist natürlich kein Halten und los geht's. Als Holgi und ich gegen 19 Uhr eine relativ holprige Buckelpiste zum Parkplatz und eine Reise über den Bierdosen übersähten Zeltplatz hinter uns haben, sind wir froh, nun endlich das sehr weitläufige Festivalgelände zu betreten, das ja inzwischen auch das ROCK HARZ beherbergt. Toll gelegen mit dem Brocken am Horizont und einem angrenzenden Sportflugplatz, der selbst während des Festivals teilweise noch im Betrieb ist. Auf dem Gelände gibt es jede Menge Fressstände und diverse Stände, um sich mit Punk Shirts und CDs einzudecken. Musikalisch verteilt sich das Geschehen auf drei Bühnen, eine Nachwuchs Trash Stage, eine Bühne im Zelt, die an diesem Freitag jede Menge Oi! Punk Bands beherbergen wird und natürlich die Mainstage im Freien. Ein etwas komisches Bild geben die sich vermischenden Fanmassen der Punker und der Oi! Skins ab. Alle Links, aber optisch trotzdem etwas merkwürdig. Alle haben miteinander viel Spaß und egal wo man hinschaut wird gesungen, gesoffen, gepogt und gekifft wie es sich innerhalb dieser Szene so gehört. Auch neue Schmucktrends gibt es zu bestaunen, denn Tampons als Ohrtunnel oder einen aufgeblasenen Kondom durchs Ohrloch sind für mich neue Eindrücke Während wir diese Bilder in uns einsaugen, spielen auf der Mainstage die aus dem Ruhrgebiet stammenden COTZREIZ, allerdings klingt die Mucke von denen nicht sonderlich gut und so decken wir uns erst mal am WIZO Merch ein und bringen das Zeugs schnell nochmal zum Auto. Zu dieser Zeit ist am Himmel ein tolles Wetterspiel zwischen Sonnenuntergang und Wolken zu bestaunen, sodass sich das inzwischen gut füllende Festivalgelände in ein tolles Licht legt. Bands wie Komediepunker NORDWAND, die polnischen FARBENLEHRE und FREYGANG steigern zwar immer mehr die Anzahl an interessierten Zuschauern, aber auf uns kann der Funke noch nicht so recht überspringen. Das erste Mal, dass es vor der Mainstage richtig voll wird, ist beim Auftritt der Liverpooler Ska Band MARK FOGGO, die gekonnt mit den bekannten Ska Rhythmen den Zuschauern einheizen. Die Gitarren sind cool, das Saxophon schmettert und die Keyboards machen groovige Melodien. Sänger Mark Foggo gibt auch sein bestes und das wird auch dankend vom Publikum angenommen, denn es wird ausgelassen getanzt, gepogt und mit geklatscht. Danach scheint der heimliche Hauptakt für alle Oi! Anhänger mit THE GUMBLES im Zelt aufzutreten, denn noch während MARK FOGGO auf der Hauptbühne einheizt, wird im Zelt schon lauthals der Beginn dieses Akts gefordert. Die Band überbrückt die Wartezeit erst mal mit einem politischen Statement gegen Rechts und bringt alle Oi! Skins zum NAZIS RAUS brüllen. Komisches Bild, aber gut so! Die Musik dieser Combo besteht aus trockenem, brachialen Punk Rock mit meist deutschen Texten, die sich prima zum Mitgrölen bei höherer Promillezahl eignen. Wir tun uns das ein paar Lieder lang an, können aber nicht so ganz den Enthusiasmus der anderen Zuschauer teilen, also lieber schon mal los und einen guten Platz vor der Hauptbühne sichern, denn bald kommen WIZO, die uns dann hoffentlich ein bisschen einheizen, denn es ist inzwischen arschkalt geworden. Und so ist es dann auch schon viertel nach Zehn, als KASSIERER Sänger Wolfgang Wendland die Sindelfinger Band WIZO ankündigt, was zu einem kollektiven Jubelsturm führt und sofort mit den ersten Klängen der Band, auch bis in die Randbereiche der Zuschauer, mit ausgelassenem und nicht grad zimperlichen Pogo abgefeiert wird. Sänger und Gitarrist Axel zeigt sich wie immer ziemlich redegewand und hält zwischen den Tracks das Publikum bei Laune. Allerdings ist das überhaupt nicht nötig, denn bei Stücken wie "Kopfschuss", bei dem jede Menge Aggressionspotential via Pogo abgebaut wird, oder bei "Hey Thomas", bei dem die ganze Menschenmasse mitsingt, zeigt, wie sehr WIZO in den letzten Jahren vermisst wurden. Bei das "Goldene Stück" beweisen die Schwaben ein feines Händchen für aktuelle Geschehnisse, denn diesmal sitzen die fetten Schweine in Berlin und der Papst küsst nicht den Flugplatz, sondern kleine Jungs. Dementsprechend lauthals wird auch dieser Klassiker abgefeiert. Danach gibt es auch zwei wirklich vielversprechende neue Tracks zu lauschen, was die Vorfreude auf das kommende neue Album noch bestärkt. Bei den zahlreichen unverzichtbaren Stücken wie "Raum der Zeit", "Kadett B", "Quadrat im Kreis" oder "Alte Frau" ist der Band wirklich anzumerken, dass sie selber dieses Comeback genießen, vor allem wenn man sieht, wie sehr die geschätzt 3000 Zuschauer jeden einzelnen Song abfeiern. Einer der Höhepunkte des Auftritts ist das Stück "Gute Freunde" bei dem Axel die Zuschauermasse zur "Wall Of Freundschaft" auffordert. Aufgabe ist, einen Graben zu bilden, die Linken sollen für die "anderen Linken" singen und anders herum, um dann aufeinander zuzurennen und Liebe zu machen. Denjenigen, die beim Zusammenprallen danach richtig dolle Bluten, wird ein T-Shirt versprochen. Schöne Aktion zumal dieser Anweisung auch ziemlich viele Folgeleisten, was zu einer fetten Gaudi führt. Nach etwa einer Stunde Spielzeit verschwinden WIZO dann das erste Mal von der Bühne, aber so einfach macht man es ihnen heute nicht und so kommt natürlich noch die politische Message und der Aufruf zur Revolte und als "Kein Gerede" losknallt, gibt es keinen Mehr auf dem Gelände, der nicht völlig ausrastet und den Text mit brüllt. Mitten in der Pogomasse lässt ein wohl etwas Geistesgestörter ein bengalisches Feuer hochgehen, was zwar niemanden vom Pogen abhält, allerdings denke ich nicht, das sowas unbedingt sein muss. Keine Ahnung, ob da alle heil rausgekommen sind. Zum Ende wird nun noch mit "Die letzte Sau" der endgültige Schluss dieses genialen Konzerts eingeläutet. Immer wieder schön diese Geschichte der letzten geschlachteten Sau eines Schlachthofs der geschlossen wird... und jetzt spritzt das warme Blut aus dem Hals der letzten Sau... Wir sind am Ende froh, eines der acht Livekonzerte anno 2010 gesehen zu haben. Nun beginnt das Warten auf das versprochene neue Album und die dazugehörige Tour. Durchgefroren aber glücklich geht's nun wieder nach Hause. Wir wollten zwar eigentlich gern noch die Rostocker DRITTE WAHL sehen und die Psychobillys THE GRIT, aber die Müdigkeit, die Kälte und die 2h Heimfahrt lassen uns diesen Gedanken schnell verwerfen. Das Fazit dieses Abends ist schnell gesagt, denn WIZO waren bis hier hin das uneingeschränkte Highlight dieses Festivals, das nur am zweiten Festivaltag durch SLIME oder MAD SIN übertroffen werden könnte. Da ich diese Bands allerdings beide bald auf Clubtour erleben werde, endet das Spirit From The Street Vol.4 für mich an diesem Punkt. (michi) |