Keep Goth Rock alive The Escape (Goth Rock) Hier stelle ich euch eine Band vor, welche in den 12 Jahren ihres Bestehens zu den ganz großen Bands des deutschen Gothics gehören sollte. Warum Ingo Klemens und seine Mannen nicht jedes CD Regal des düster, melancholisch veranlagten Musik Puristen ziert, ist mir ein Rätsel. Wenn jemand den düsteren Weg der deutschen Musikszene verfolgt, wird er unweigerlich über "The Escape" stolpern. Ich lernte die Musik der Band vor 12 Jahren bei einem Festival in Jugoslawien (Gab's damals noch komplett) kennen und lieben. Damals gehörten sie neben "Pink turns blue" , "Love like blood" und später "Dreadful shadows" zur Speerspitze des deutschen Goth Rocks. Und "The Escape" schaffen es nicht nur, über eine Decade begeisternde Musik zu machen. Nein, sie überwinden alle Querelen bezüglich der Sänger und Labels und erschaffen mit "manderley" ein vollkommen perfektes Album, welches auch 1980 oder 1990 das Licht der Welt erblickt haben könnte. Es ist guter, alter Gothic Rock, der mit einer hingebungsvollen Melodie dargeboten wird, wofür sich ein Ville Valo extra prostituieren mußte. Wer vom Kinder-Goth, Mainstream-Electro und dem immer wiederkehrenden Sisters Klon die Schnauze voll hat, dem wird "The Escape" in einen Rosengarten der dunklen Melancholie versetzen. Die Fragen beantwortete mir Sänger Ingo Klemens. (andreas) www.the-escape.de Eure Band existiert seit über zehn Jahren. Jede CD bekam bisher gute bis sehr gute Kritiken. Warum kam es nie zum Durchbruch? Das fragen wir uns langsam auch.... aber mal im Ernst: Ich denke, ein Faktor ist die relativ geringe Promo, die mit jedem Album einherging. Celtic Circle, unser erstes Label hat sich nicht gerade überschlagen und auch bei SPV liefen wir immer erst in dritter Reihe. Ein oder zwei Anzeigen, das war's. Leider reicht das nicht, um in Massen Verkäufe zu tätigen. Wir sind uns sicher, dass alle Alben bei kräftiger Promo wesentlich mehr verkauft hätten. Ein weiterer Faktor mag sein, dass unsere Musik, insbesondere gegenüber dem allgegenwärtigen Elektro- und EBM-Kram, nicht so tanzflächenkompatibel ist. Das trifft vor allem für die ersten beiden Alben zu. Sowohl für die "Faith And Decay" als auch für die "Manderley" haben wir schon darauf geachtet, dass etwas Tanzbares dabei ist. Aber unsere Musik ist trotzdem mehr was zum Zuhören. Trotz zahlreicher Festivals werde ich jeniges in Pula (Jugoslawien) nie vergessen. Auf eurer Internetseite sind die legendären Fotos (Die Veranstalter haben es nicht mal für nötig befunden das Tor vor der Bühne abzubauen) gegenwärtig. Damals wart ihr Opener vor einem Publikum welches internationaler nicht sein konnte. Gibt es noch Erinnerungen an diesen denkwürdigen Tag? Oh ja, das war ein unvergessliches Festival, in jeder Hinsicht. Einerseits akribisch geplant und im Vorfeld durchorganisiert, andererseits aufgrund von Fehleinschätzungen und Inkompetenz bei einigen der Veranstalter völlig im Chaos versinkend. Neben der unerträglichen Hitze, die uns allen zusetzte, war es die ständige Ungewissheit, was denn jetzt wo passiert, die an den Nerven zerrte. Aber immerhin: fast 6000 Zuschauer, ein erfolgreicher Gig und alle Tapes verkauft: das war schon nicht schlecht, dafür dass es uns erst ein Jahr gab (wir waren übrigens zweite Band, Opener machte eine Combo namens "Scarlet Woman"). Gibt es schon Planungen für Open Air Festivals in diesem Jahr? Die gibt es. Wir werden auf dem "That-Spring-Festival" in Magdeburg am 4./5. Mai spielen (u.a. mit Das Ich) und wir sind für das WGT in Leipzig gebucht. Es laufen außerdem Bemühungen für das Zillo Festival. Ob das allerdings klappt steht noch in den Sternen. Ansonsten sind wir für jedes Angebot dankbar. Die neue CD "Manderley" ist die Vierte eurer Geschichte, und zum dritten Mal gibt es einen neuen Sänger, wie schwer wiegten die jeweiligen Verluste von Thorsten oder Elten und warum kam es zur jeweiligen Trennung? Nun ja, mit Thorsten (Abel), der unser erster Sänger von 1989 bis 1992 war, hatten wir ja keine wesentliche Veröffentlichung außer Tapes und einem Samplerbeitrag ("God?" auf dem "Art & Dance II" Sampler). Insofern wog der Verlust nicht so schwer. Thorsten hatte seine musikalischen Vorlieben geändert, es zog ihn mehr in Richtung Grunge und dieses Zeug, also war es nur konsequent, dass wir uns trennten. Persönlich gab's aber keine Probleme, wir verstehen uns immer noch sehr gut. Erst auf unserer letzten Tour hat er uns im K17 in Berlin, wo er jetzt lebt, besucht. Als Elten 1993 dazu kam, ging es mit Veröffentlichungen erst richtig los. Wir machten 1994 unser erstes Album und dann so zirka alle zwei Jahre ein weiteres. Dazwischen mal immer wieder 'ne E.P. oder ein Samplerbeitrag. Elten war, gelinde gesagt, ein etwas exzentrischer Mensch mit einer begnadeten Stimme. Während der ganzen sieben Jahre, in denen er bei uns sang, war zwischen ihm und mir ein etwas gespanntes Verhältnis, da wir menschlich nicht sond erlich harmonierten. Das war solange kein Problem, wie wir musikalisch übereinstimmten. Als aber THE ESCAPE immer gitarrenlastiger wurden (die Songs kamen nach wie vor nur von mir), kam Elten immer weniger mit der Musik klar. Er hätte lieber den Synthie-Wave der "Every Tear Dries" weitergemacht, das rockige lag ihm nicht so. Wie das nun mal in Bands so ist, spitzte sich das nach und nach zu und kurz vor der Tour mit L Àme Immortelle kam's zum Knall. Elten stieg formal aus, war aber Profi genug, nicht einf ach alles hinzuschmeißen, sondern den geordneten Rückzug anzuteten, was hieß, die Tour noch mitzumachen und schließlich auf dem WGT 2000 (dem WGT) sein Abschiedskonzert zu geben. Mit ihm haben wir seither praktisch keinen Kontakt mehr. Du hast bereits auf der ersten Veröffentlichung von The Escape die Backing Vocals übernommen, war es daher nach Eltens Ausstieg klar, daß du das Zepter am Mikro übernimmst oder gab es vorher eine erfolglose Suche? Wir haben uns die Sache mit dem neuen Sänger nicht leicht gemacht. Elten war stimmlich nicht 1:1 zu ersetzen, das war klar. Wir haben also lange diskutiert, was man machen könnte. Ich habe damals bereits gesagt, dass ich mich in der Lage fühlte, den Gesang zu machen und dass ich es versuchen wollte, bevor wir nun endlos einen neuen Sänger suchten. Zunächst gab es aber eine Menge Skepsis bei den anderen. Mit zunehmender Übung meinerseits und der Verpflichtung von Thorsten Lawrenz als neuem Gitarristen festigte sich aber das Line-up und die skeptischen Töne verstummten. Konzerte auf den Herbstnächten und in Hamm zeigten, dass alles gut lief und wir so weitermachen konnten, ohne allzu sehr unseren Stil zu verändern. Seit den Aufnahmen zur "Manderley" und der Tour im Herbst 2001 ist jetzt allen klar, dass es besser läuft als die Jahre vorher, da jetzt die Stimmung der Bandmitglieder untereinander viel besser ist. Thorsten hat sich in zwei Monaten besser eingefügt, als Elten in den ganzen sieben Jahren. Das spiegelt sich in Spielfreude und Energie wieder, die auch das Publikum bemerkt. Wo siehst du die Hauptunterschiede zum Vorgänger? In erster Linie in der Art, an den Song heranzugehen. Klar, Elten war ausgebildeter Bariton und hatte auch eine tiefere Stimme als ich. Er nahm aber jeden Song gesanglich sehr formal, jeder Ton sollte sitzen, "dreckige" oder gehauchte Töne fehlten in seinem Repertoire fast völlig. Das brachte ihm immer wieder Vergleiche mit Veljanov ein, der ja ähnlich distanziert "bel canto" singt. Ich versuche gar nicht erst, das Volumen und die formale Reinheit Eltens Stimme zu erreichen. Ich liebe es eher, mit meiner Stimme zu variieren, mal tief, mal hoch, mal klar, mal rau oder geflüstert. Da ich ja die Songs schreibe, ist es für mich leichter, die Intention rüberzubringen, da es die meine ist. Elten musste ich immer erst erklären, was ich wollte, dann musste ein Kompromiss gefunden werden zwischen meinen Vorstellungen und seiner Herangehensweise. Das ist nun nicht mehr nötig. Ich denke, man hört auf der "Manderley" klar die Einheit zwischen Komposition und Gesang. Das ist meine Stärke. Da kann die formale Stimmausbildung auch mal etwas hintenanstehen. Wie kamt ihr auf die Idee mit "Stern" einen Song von L'ame Immortelle zu covern? Wie bereits erwähnt, waren wir im Jahr 2000 mit L'ame Immortelle auf Tour. Ich hatte also Gelegenheit, mir jeden Abend ihre Show anzusehen. "Stern" gefiel mir damals schon sehr gut, mir fehlten bloß immer die Gitarren. Ich hätte den Song gern etwas "krachiger" gehabt. Also habe ich gedacht, mach mal was fertig und probier aus, wie's klingt. Ich habe dann mit Thorstens Hilfe eine Demo-Version erstellt, die ich Thomas Rainer gemailt habe. Er war völlig begeistert, was mich in meinem Vorhaben bestätigte. Wir haben den Song dann komplett fertiggemacht und fanden selbst, ein kleines Meisterwerk erst richtig veredelt zu haben. Nach einer kurzen Diskussion, ob dieser Song denn auch auf das neue Album sollte, haben wir uns dafür entschieden. Mit etwas mehr Geld hätten wir ihn möglicherweise sogar als Single veröffentlicht. Der Prologue des Albums ist vom Hitchcock Film "Rebecca" entnommen. Gibt es Parallelen zwischen seinen Filmen und eurer Musik? Wie Hitchcock auch, versuchen wir in unseren Songs mit verschiedenen Stimmungen zu spielen. Da wechseln aggressive, melancholische, trostlose und romantische Stimmungen einander ab und bilden so ein harmonisches Ganzes. Ich will jetzt nicht behaupten, dass wir uns bewusst von Hitchcock beeinflusst fühlen, aber ich denke, die Faszination, die ich für seine Filme empfinde, fußt auf der Kunst, eigentlich belanglose und harmlose Szenen morbide oder bedrohlich zu machen. Das schafft er zum Teil durch Musik, zu m Teil durch das Arrangement von Kameraführung und Handlung. Da spielt sich viel im Kopf des Zuschauers ab. Es wäre für mich das größte Lob, wenn man sagen könnte, dass unsere Musik ähnlich unterschiedliche Bilder im Kopf des Zuhörers erzeugt. Kannst du unseren Lesern ein wenig über die Texte von "Manderley" erzählen? Es sind kurze Geschichten, die ich mir ausgedacht habe. Der Titelsong handelt natürlich von der Story "Rebecca". "Mistress Of The Dawn" ist eine Geschichte über Schuld und Sühne, eine unheimliche Schöne entpuppt sich als Todesengel. In "Locked In" geht es um den Zustand des gleichnamigen medizinischen Syndroms, bei dem ein Mensch bei vollem Bewusstsein nach einem Schlaganfall oder einer Hirnblutung komplett gelähmt ist und nur noch über Augenbewegungen kommunizieren kann. Scheußliche Vorstellung, aber so etwas gibt es. "Willow" steht als Synonym für das Irrlicht in den Weiden im Moor, das einen Wanderer ins verderben lockt. "This Life" ist bei aller Schönheit ein tief deprimierender Song über den Schritt in den Tod, ins Ungewisse. In "Realities" geht es um das alte Thema Trennungsschmerz, die frischen Wunden angesichts eines Scherbenhaufens der Gefühle. "Devil Dance" ist wieder mystisch angehaucht, der Tanz der Kreaturen der Nacht um den Dämon zu beschwören. Und "Stay By My Side" hat schon fast etwas auto biografisches. Es ist der einzige Song auf dem Album, der eine Hoffnung behält. Wenn man wie ich jenseits der Dreißig neben seinem Beruf immer noch in einer Band spielt, auf Tour geht und auf Festivals Spaß hat, stellt man fest, dass die Sorge vor dem Älterwerden, die man mit Anfang Zwanzig noch hatte, völlig unbegründet ist, solange man sein Leben fließen lässt und sich nicht krampfhaft gegen diesen Fluß stemmt. Gibt es bestimmte Stimmungen in denen du die Texte verfasst? Nein, eigentlich nicht. Ich muß nicht traurig sein, um depressive Texte zu verfassen, oder Liebeskummer haben, um darüber zu schreiben. Einerseits Phantasie und andererseits eine gewisse Lebenserfahrung reichen dafür völlig aus. Ich muß aber Ruhe haben und darf nicht abgelenkt werden, sonst komme ich beim Texten nicht weiter. Leider ist Letzteres der meistens begrenzende Faktor. War es für euch überraschend eine derart gute Kritik im Metal Hammer zu bekommen? Allerdings! Wir waren begeistert! Wenn wir auch unsere CD beileibe nicht als "Demo" bezeichnen würden, war doch die Kritik ("Demo des Monats") erste Sahne. Und der Metal Hammer ist ja nicht irgendein Szenefanzine. Das bedeutet schon was. Fehlt nur noch ein Artikel.... Wie siehst du die Entwicklung des Goth Rocks der letzten Jahre? Entwicklung? Meines Erachtens ist der Goth Rock hierzulande in den letzten fünf bis sieben Jahren von einigen wenigen Bands mühsam am Leben gehalten worden. Ich zähle hierzu die Dreadful Shadows, die Merry Thoughts oder Love Like Blood (die aber auch schon bessere Zeiten gesehen haben), um nur ein paar zu nennen. Und natürlich THE ESCAPE, ein Fels in der Brandung, unbezwungen von den Gezeiten und den Erosionen, die Electro / Industrial in diesem Bereich angerichtet haben. Aber mal im Ernst: Nachdem Bands wie The Mission, die Sisters oder die Fields mehr oder weniger vor sich hin dümpelten (immerhin ist The Mission wieder ein tolles Comeback geglückt) oder ganz verschwanden, hat sich der Goth Rock meines Erachtens (von einer Liaison mit dem Black-Metal abgesehen) nicht wesentlich entwickelt. Ist auch gar nicht so nötig, wenn er wenigstens angemessen vertreten wäre. Wenn man heute in eine Disco geht, die einen Abend ankündigt "Gothic, Wave und EBM", was ja fast Standard ist, was läuft denn da den ganzen Abend? Electro, Industrial, EBM, allenfalls mal Dark-Wave. Und Goth Rock? Fehlanzeige! Scheint nicht gewollt zu sein, oder nicht tanzbar, oder zu melodisch oder oder oder....Etwas mehr Präsenz des Goth Rocks in der Szene wäre sehr zu wünschen, die Entwicklung kommt dann von ganz allein. Würdest du "Manderley" eher dem Old School oder dem modernen Goth Rock zuordnen? Ich würde uns eher als Vertreter des 80er Jahre Goth Rocks sehen, obwohl unser Sound natürlich moderne Elemente enthält. Wir suchen aber nicht krampfhaft neue Einflüsse, um nicht altmodisch zu klingen. Ein bisschen altmodisch ist gar nicht schlecht, wenn man ideenreich und vielseitig ist. Es bringt natürlich nichts, ein ganzes Album lang auf der Sisters- oder Nephilim-Masche herumzureiten, das langweilt nur. Ich denke aber, dass wir es durchaus schaffen, interessante und fesselnde Musik zu machen, die auf den Mauern der "alten Schule" (zu der wir uns ja schließlich selbst zählen...) neue und facettenreiche Eindrücke sprießen lässt. Ich brauche keinen "neuen" Goth Rock, mir reicht der "alte", wenn er gut gemacht ist. Ihr habt mit Annuvin ein eigenes Label gegründet, wird es da auch Veröffentlichungen anderer Bands geben? "Annuvin Records" ist aus der Notwendigkeit entstanden, die "Manderley" unter die Leute zu bringen, nachdem SPV uns sitzen ließ. Wir haben natürlich in erster Linie vor, THE ESCAPE zu fördern. Da aber ein Label mit einer Band allein kaum Fuß fassen kann, ist es nicht auszuschließen, dass wir auch andere Bands signen. Hängt natürlich von der Finanzlage ab. Wir planen aber schon einen Sampler, der eine neue Idee in die Gothic Landschaft bringen soll. Mehr wird aber erst mal nicht verraten. Eure Pläne und Ziele für die Zukunft? Wir planen für den Herbst den Release einer E.P. mit neuem Material und evtl. Remixes alter Songs. Diese wollen wir dann im Winter 2002 / 2003 mit einer Tour promoten. Auf dieser Tour wollen wir ein Live-Album aufnehmen, welches dann in 2003 die Wartezeit auf das neue Longplayalbum verkürzen soll. Es gibt also viel zu tun. Im kommenden Sommer hoffen wir, noch ein paar einzelne Konzerte machen zu können. Wie gesagt, wir freuen uns über jedes Angebot. Wie würdest du einem VIVA Moderator eure Musik beschreiben? Düster-melancholischer Gothic Rock, versehen mit ein paar Tupfern Heavy Metal der 80er und Elementen des synthesizerbetonten Dark-Wave. Welch' eine Mischung! ; ) Discography 1994 Every tear dries (CD) 1997 Amaryllis (CD) 1997 Anthem (MCD) 1998 Inside (MCD) 1999 Faith and decay (CD) 2001 Manderley (CD) |