Stille |
Nocte Obducta (Dark Metal) Mit ihrem bislang ruhigsten Album mit dem Titel "Stille = Das nagende Schweigen" haben Nocte Obducta wieder einmal das Unerwartete getan. Das Album besticht durch eher melancholische Klänge denn rohe Gewaltausbrüche, womit die Band ihren Rang als eine der ungewöhnlichsten, interessantesten und innovativsten (Black) Metal Bands Deutschlands bestätigt hat. Mein E-Mail Interview beantwortete Nocte Obducta Gründer und Sänger Marcel. www.nocte-obducta.de (eller) Review lesen Wenn man eure Alben so hört, seid ihr immer wieder für Überraschungen und ausgefallene Dinge gut. Das neue Werk "Stille = das nagende Schweigen" ist ungewöhnlich ruhig ausgefallen. Wie kam es zu dieser, ich nenne es mal Ruhephase in eurem Schaffen? Gute Frage, da kann ich eigentlich nichts vernünftiges drauf antworten, ist halt einfach passiert, und es war eine sehr spontane Entscheidung... "Stille" sollte als Mini vor dem nächste Album kommen, dass eigentlich viel früher schon hätte eingespielt werden sollen. Es ist ein sehr spontanes Werk, das trotz der teilweise schon älteren Stücke ("Der Regen" und "Die Schwäne im Moor") eine Momentaufnahme darstellen sollte... ich gehe später noch mal darauf ein, ich muß gestehen, dass ich mit der Frage im Moment irgendwie so meine Schwierigkeiten habe... Welche Rolle spielt der Albumtitel bei euren Produktionen? Er klingt immer sehr ausfallend und poetisch. Macht ihr euch viele Gedanken darum oder ist es eher ein "Abfallprodukt"? Ich mache mir da schon ziemlich viele Gedanken drüber, was allerdings nicht heißt, dass ein Titel nicht auch ganz spontan entstehen kann. Es ist auch nötig, ein paar Gedanken daran zu verschwenden, wenn man immer einen Haupttitel mit einem Untertitel benutzt, das muss ja irgendwie aufeinander abgestimmt sein und zum Album sowie zum Cover passen, bzw. das alles muss irgendwie schlüssig ineinander greifen. Natürlich stehen Musik und Texte am Anfang, aber gerade mit dem Titel für die beiden kommenden Alben kämpfe ich nun schon ewig. Welche Bedeutung trägt dieses Mal der Nachsatz im Titel: "Das nagende Schweigen"? Die Stille, die das (Mini)Album ausmacht ist in erster Linie eine negative, sieht man mal von "Die Schwäne im Moor" ab. Gerade Lieder wie "Vorbei" oder "Tage, die welkten" bestechen ja inhaltlich nicht etwa durch eine Stille, die von Idylle geprägt ist, das Schweigen ist dort sozusagen pathologisch, es ist ein Zustand, der gekennzeichnet ist durch das Fehlen von etwas, das einmal dagewesen ist. Ein Gutteil der Platte ist ja sehr spontan in einem sehr kurzen Zeitraum entstanden, und mir ging's zu dieser Zeit verdammt beschissen. Es war aber nicht so, dass ich das alles wie früher nutzen konnte, um vergleichsweise aggressive, aufpeitschende Dinge zu schreiben, um die negative Energie sagen wir mal sinnvoll einzusetzen und den Kram zu verarbeiten. Es war diesmal einfach nur eine gähnende Leere, die irgendwie verdammt nahe an der Resignation lag, und das nagt halt an einem, wie du dir sicher vorstellen kannst... Auf eurer Website ist zu lesen, dass ihr bisher des häufigeren Probleme und Verzögerungen bei der Produktion eurer Alben hattet. Wie hat es dieses mal geklappt und seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden? Probleme gab es natürlich auch diesmal, aber ich habe keine Lust, jetzt irgendwelche Worte über die Querelen zu verlieren, ist ja vorbei... zufrieden sind wir mit dem Resultat auf jeden Fall, auch wenn es ein paar Dinge am Booklet gibt, die mir im Endeffekt dann doch nicht so gut gefallen in ihrer letztlichen Ausführung. Was würdest du sagen sind typische Textinhalte für einen Nocte Obducta Song? "Tage die welkten" wäre für mich ein prädestinierter Song für die Verarbeitung persönlicher Erlebnisse. Wieviel persönlicher Inhalt steckt im Endeffekt in den Texten? Das ist so eine Frage, die beantworte ich seit meinem ersten Interview immer und immer wieder. Natürlich sind es persönlich Erlebnisse oder Gefühle. Es gibt ein einziges Lied, das da komplett aus dem Rahmen fällt, und das ist "Wenn nur im Tod noch Frieden liegt" von der "Galgendämmerung". Natürlich sind Texte wie "Tage, die welkten" ein gutes Stück näher an der erlebten Realität des Alltags, während andere Stücke lediglich eine Gemütslage wiedergeben oder in ein Bild verpacken, aber eigentlich ist praktisch jeder Text eine Verarbeitung von Erlebtem oder Erträumtem, nur dass manche Texte eben "profanere" Themen greifbarer formulieren, andere hingegen komplett verschlüsselt sind oder nur auf unbestimmten Stimmungen beruhen. Neben dem Opener "Die Schwäne im Moor" gefällt mir der Schlusstrack "Vorbei" am besten. Gibt es einen Song auf dem Album, den du "Lieblingssong" nennen würdest? Vermutlich "Die Schwäne im Moor" und "Töchter des Mondes". Und bei "Der Regen" ist es halt so, dass dieses Lied in sofern etwas sehr besonderes für mich darstellt, als dass es ein altes Stück meiner ersten Band Desîhra ist, und sozusagen die gute alte Zeit repräsentiert, auch wenn es ein sehr negatives Lied ist. Als einen kleinen Kritikpunkt des neuen Werkes sehe ich die Spieldauer von "nur" 32 Minuten (auch wenn die Qualität sicher über die gesamte Zeit sehr gut ist). Das klingt erstmal sehr wenig, da rein platztechnisch auf einen Silberling mehr als doppelt soviel Musik draufpasst. Habt ihr euch im Vorfeld dazu Gedanken gemacht? Wie gesagt, das ganze war von Anfang an als Mini geplant, als dann alles fertig war, sollte es doch als komplettes Album gelten, allerdings zu einem günstigeren Preis. Was da jetzt letztlich passiert ist, das liegt nicht in meinem Ermessen. Wegen der Spielzeit, wegen der ganzen Gestaltung, die ja auch bewußt wesentlich weniger umfangreich als sonst ist, und auch wegen der sehr spontanen "Entstehungsgeschichte" ist das ganze für mich immer noch ein Minialbum Auf der Vinyl Version ist noch ein Song mehr drauf. Was ist das für ein Song und wieso ist er nur auf Vinyl erhältlich? Ich wollte einfach ein Stück auf das Vinyl machen, das auch nur in dieser Form erhältlich ist, "Aschefrühling" bot sich an, weil er ein wenig aus dem Rahmen fällt. Es ist ein sehr straightes Stück, sowohl Text als auch Musik sind binnen kürzester Zeit nur zwei oder drei Wochen vor dem Studiotermin entstanden, interessanter Weise gibt es Leute, die es für das beste Lied auf der "Stille" halten. Musikalisch hat es vielleicht ein wenig was von Katatonia, komischer Weise gibt es aber in der Band auch Leute, die immer von Burzum reden, wenn es um das Lied geht... ein sehr skurriler Vergleich, wenn du mich fragst. Kommen wir zur Zukunft von Nocte Obducta. Für nächstes Jahr sind bereits zwei Alben angekündigt. Kannst du uns etwas zum musikalischen sowie textlichen Konzept sagen und warum es nicht ein Album werden wird? Auf ein Album würde der ganze Kram nicht drauf passen. Es werden also zwei getrennte Scheiben werden, und beide mit wirklich ordentlicher Spielzeit. Teil eins beschäftigt sich mit verschiedenen Stimmungen auf der Grundlage der vier Jahreszeiten, das ganze wird sehr episch ausfallen, allerdings wird es nicht an Klirren und an Härte fehlen. Ganz im Gegenteil, der Herbst ist ein ziemliches Black Metal Gewitter. Teile der Musik und der Texte stammen noch aus der Spätphase von Desîhra und den ersten Gehversuchen mit Nocte Obducta, es wird wieder ziemlich komplex zugehen mit Tonnen von Riffs und ewig langen Liedern. Dennoch denke ich, es wird die bislang sphärischste Veröffentlichung werden, vielleicht auch die melodischste. Teil zwei ist dann in mehrere Unterkapitel unterteilt. Die ersten drei Lieder sind ein Blick auf das Gestern und beschäftigen sich mit der Phase in meinem Leben, in der der Grundstein gelegt wurde für den ersten Teil dieser Doppelveröffentlichung. Musikalisch steht das ganze eigentlich in typischer Nocte-Tradition, diese drei Lieder werden sehr, sehr abwechslungsreich sein und zwischen extremer Aggression und tiefer Ruhe schwanken, wobei den härteren Klängen auf jeden Fall das größere Gewicht zukommt. Die andere Hälfte dieses zweiten Teiles ist dann eine Beschäftigung mit dem Heute-Zustand aus verschiedenen Blickwinkeln, allerdings ganz im Sinne eines Blickes nach vorne, während die ersten drei Lieder ja einen klaren Rückblick darstellen. Musikalisch ist hier der Spagat sehr groß zwischen einem Lied, das beispielsweise auch auf der "Schwarzmetall" hätte erscheinen können und Dingen, die eher in der Tradition der "Stille" stehen. Es wird also so sein, dass das eher abstrakte Album der vier Jahreszeiten durch die erste Hälfte des zweiten Teiles eingebettet ist in das zweite Album, dass wesentlich konkreter ist, und Leute, die mich kennen, werden Szenen aus diesem zweiten Teil wesentlich eher an ganz bestimmten Phasen in meinem Leben festmachen können, denke ich. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, denn das ganze wird gestalterisch eine wirkliche Aufgabe sein, und da das Material alles in allem sehr umfangreich und sehr komplex ist, stehen wir da im Studio vor einer wirklichen Herausforderung. |