Reise ins Ich |
DIORAMA (Elektro Dark Wave) Torben Wendt (Vocals, Synth, Piano, Drums) - Felix Marc (Synth, Sequencer, Vocals) - Sash Fiddler (Gitarre) - Bernard Le Sigue (Bass) Seit ihrem '99er Debüt steht die Band um Texter, Sänger und Komponist Torben Wendt für betörenden Dark Pop. Eine tiefe Melancholie paart sich mit sinnvollen Texten und das man eine sensible Gefühlswelt auch mal sehr clubtauglich interpretieren kann, dafür steht das aktuelle Werk, während dessen Reifungsprozess' fünf verschiedene Aufnahmeräume aufgesucht wurden. Umso erstaunlicher, daß es der Reutlinger Formation erneut gelingt ein komplexes und in sich stimmiges Album zu veröffentlichen. www.diorama-music.com (andreas) Die CDs: "Pale" "Her liquidArms (enthält das geniale "das Meer")" "The Art of creating confusing spirits" "Device (MCD)" "Amaroid" -> Review "amorid" lesen Ihr habt gerade eure Tour mit VNV Nation abgeschlossen. Wie kam es zum Kontakt und wie seid ihr mit der Tour zufrieden? Der Kontakt bestand bereits vorher auf freundschaftlicher Ebene. Wir waren uns seit längerer Zeit einig gewesen, dass eine gemeinsame Tour eine gute Sache werden würde und schließlich ergab sich relativ spontan die Gelegenheit dazu, als VNV Nation für den europäischen Teil ihrer Tour eine Supportband suchten. Zur Tour kann ich nur sagen, dass es der Hammer war. Alles. Es war alles der Hammer. Davor hast du Diary of Dreams als Keyboarder und Backing Sänger begleitet, ist jetzt erst mal Urlaub angesagt? Eine Auszeit vom Touren in der ersten Hälfte des Jahres ist auf jeden Fall angesagt. Sonst kennt mich mein Hund irgendwann nur noch als der Typ, der die ganze Zeit kommt und geht. Urlaub ist trotzdem essig, inzwischen sitze ich schon mitten in der nächsten Produktion. Ihr ward ja in der Vergangenheit des Öfteren als Supporter unterwegs, suchst du die Songs für die Setlist auch mit dem Blick auf die jeweilige Top Band und deren Fans aus? Selbstverständlich. Man tut dem Publikum und sich selbst keinen gefallen, wenn man nicht auch solche Aspekte in seine Entscheidungen einfließen lässt. Genug davon, kommen wir zum aktuellen Werk. Was bedeutet der Titel "amaroid"? "amaroid" heißt das Album, weil der rückwärts geschriebene Bandname eine umkehrende, rückläufige Bewegung verkörpern soll, die sich in verschiedenen Formen auf dem gesamten Album in Gang setzt. "amaroid" ist die Reise in dich selbst, in die Untiefen deines eigenen Gewissens, in die Lagerungsstätten deiner Erinnerungen, bis hin zum innersten Kern einer kontinuierlich absorbierten und angehäuften gigantischen Leere, dem schwarzen Loch. Im Licht unseres musikalischen Werdegangs bedeutet "amaroid" gleichzeitig die Rückbesinnung auf die integralen Urwerte unserer musikalischen Arbeit, die Vertonung unserer Sucht nach Melancholie, Rausch und Schönheit. Erneut besticht die Melange aus clubtauglichen Songs und überaus getragenen, tieftraurigen Tracks. Wo siehst du eher die Heimat von Diorama? Diorama steht in erster Linie für Melancholie und Atmosphäre, dabei aber mit ausgeprägtem Anspruch auf Facettenreichtum und Vielschichtigkeit. Es wird erneut deutlich, dass der Text unheimlich wichtig ist, wie entstand in diesem Kontext die Idee, mit "two boats" einen reinen Instrumental Track auf das Album zu packen? "two boats" hat mich in der vorliegenden Form einfach unglaublich gekickt. Auch ohne Worte empfinde ich ihn als nah beim restlichen Album und als würdigen Abschluss der inversen Gedankenfahrt. Nicht nur hier geht ihr sehr experimentell mit der Elektronik um. War es euch trotzdem wichtig, die atmosphärische Elegie der alten Alben zu behalten? Die atmosphärische Elegie schleicht sich immer von selbst in unsere Produktionen ein, ganz gleich wie experimentell oder abgedreht wir zu Werke gehen. Natürlich ist es uns wichtig, solche Stilelemente zu behalten, da sie auch für uns den musikalischen Reiz darstellen. Ihr arbeitet komplett mit analogen Geräten. Wie kamt ihr auf diese Idee und woran scheitert die moderne Technik, eine derartige Ästhetik zu erzeugen? In letzter Zeit habe ich viel mit Produzentenkollegen darüber diskutiert und jeder setzt im Vergleich zwischen analoger und digitaler Technik unterschiedliche Akzente und Präferenzen. Für mich lässt es sich im Grunde auf eine einfache Formel herunterbrechen: die alten Röhren- und Analogeisen haben einen eigenen Charakter, den sie zum Klangergebnis der Musik beisteuern, ob du willst oder nicht. Analogpulte wie Studer- oder Neve-Konsolen lassen beispielsweise in der Verarbeitung ihres Frequenzspektrums einen sehr warmen, druckvollen Klangeindruck entstehen und durch die analoge Summierung der Einzelsignale eine Sättigung zustande kommen, die digital nur näherungsweise nachzubilden ist. Allerdings muss man demgegenüber Einbußen vor allem in den punkten Brillianz und Transzendenz in Kauf nehmen. Extrem digitalbasierter Sound hat oft keine Eier, klingt aber fehlerfrei, klar und kontrolliert. Letztendlich geht es jedoch nicht darum, was besser oder schlechter funktioniert, sondern welche Herangehenswaise sich für welche Art von Produktion als förderlich herausstellt. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass am Ende der Kette, zumindest gegenwärtig, stets das Presswerk steht; spätestens auf CD findet sich also alles in der digitalen Welt wieder. Für "amaroid" jedenfalls hielt ich den Einfluss veralteter analoger Technik für reizvoll und für eine Abwechslung zum wiederholten Einsatz der üblichen plug-in Verdächtigen, wodurch vor allem Lebendigkeit und Dynamik in die Produktion einfließen sollte. Als Beispiel sei mal das harmonische "helmets down" genannt. Ein Song der eine gefühlvolle Ruhe ausstrahlt. Kannst du etwas mehr über den Song und dessen Sinn erzählen? "helmets down" vertont einen an einen selbst geschriebenen Brief. Angesprochen wird ein imaginärer Bruder, von dem man sich so weit entfernt hat, dass man ihm in Zeiten des Kriegs (Krieg als Symbol für das Scheitern in Interaktion und Zwischenmenschlichkeit) nicht mehr zur Hilfe eilen und zur Seite stehen kann. Und trotzdem ist das Schicksal des Adressierten und des Distanzierten untrennbar miteinander verknüpft und sie gehen gemeinsam unter. Der Song spielt darauf an, einen Teil seiner selbst vorzuschicken und ihn die Anforderungen des Lebens übernehmen zu lassen, während der andere Teil sich zurückzieht und denkt, denkt, denkt. Er dient im Endeffekt auch als perfektes Beispiel für deinen variablen Gesang, weil deine Stimme im folgenden "friends we used to know" phonetisch und von der Stimmlage her ganz anders klingt. Wie würdest du diese unterschiedlichen Stimmbandvibrationen beschreiben und inwiefern haben sie mit der Soundstruktur des jeweiligen Songs zu tun? Mhh, keine Ahnung. Es mag komisch klingen, aber ich singe meistens einfach drauf los. Gibt es ein Konzept, evtl. einen roten Faden, der sich durch das Album zieht? Alle Songs sind der Erschließung der inneren Leere verschrieben, jeder auf seine Weise. Diese thematische Abgrenzung lässt das Album durchaus als ein homogenes Gesamtwerk erscheinen, obgleich die Gestaltung der Songs, wie von dir beschrieben, zum Teil sehr unterschiedliche Formen angenommen hat. Nach "Das Meer" und "Klarheit" gibt es mit "unzerstört" das dritte in deutsch gesungene Stück. Erneut ist es sehr getragen dargebracht, hast du auch mal Gedanken, deine wütende Seite auf Deutsch zu präsentieren? Als Klischee-Allergiker tue ich mich mit deutschen Texten im Allgemeinen etwas schwer. Abgesehen davon zwinge ich den Songs sozusagen nicht ihre Sprache auf, sondern überlasse das der entsprechenden Inspiration. Wenn mir eines Tages eine etwas harschere Nummer in deutscher Sprache in den Sinn kommt, dann habe ich sicher nichts dagegen. Du warst in der Vergangenheit längere Zeit in Kanada und auch ein halbes Jahr in Spanien, bist aber immer wieder nach Reutlingen zurückgekehrt. Welches Gefühl würdest du als stärker bezeichnen, das Fernweh oder das Heimweh? Da es mich immer wieder nach Reutlingen gezogen hat, ist das Heimweh vermutlich stärker. Ich bin mit der Balance ganz zufrieden, mich in meiner Heimat verwurzelt zu fühlen und gleichzeitig die Möglichkeit in Anspruch nehmen zu können, viel unterwegs zu sein und die Welt zu entdecken, ob über die Musik oder als Rucksackreisender. Viele Musiker schämen sich für vergangene Werke, kannst du dir heute noch das Pale Album zu Gemüte führen ohne zu sinnieren, was hätte besser gemacht werden können? Ehrlich gesagt fällt es mir schwer, meine frühen Werke zu hören, ohne dass sich Optimierungsansätze aufdrängen. Dennoch empfinde ich keine Scham, sondern eher Stolz, aus eigener Kraft auf meinetwegen nicht makellose, aber auf aufrichtige und individuelle Weise meinen musikalischen Traum begonnen zu haben. Hast du eigentlich dein Studium zu Ende gebracht und was sind deine Wünsche für die Zukunft, sowohl privat wie künstlerisch? Mein Studium habe ich letzten Juli zu ende gebracht. Seitdem widme ich mich ausschließlich der Musik und wünsche mir, mir in diesem Umfeld eine Existenz aufbauen zu können. |