Politische Punk Oldies

NoRMAhl (Punk Rock)

Interview mit NoRMAhl-Sänger Lars Besa vor ihrem Konzert im FZW in Dortmund (Bericht lesen). (ludger)


Zu Beginn eurer Karriere tratet ihr mit provokanten Texten auf, später lief das Ruder Richtung Fun-Punk bei Liedern wie "Biervampir", "Kein Bier vor vier" oder "Harte Nächte". Seid ihr frühzeitig mit einer politischen Botschaft gescheitert?
Nein. Wir versuchen nach wie vor, eine politische Botschaft mitzuteilen. Wir verstehen uns ebenso immer noch als reine politische Punk-Band und nicht als Bierband. Auch wenn immer wieder unser Album "Kein Bier vor vier" als reines Saufalbum dahingestellt wird, so hatte dies auch durchaus politische Ambitionen wie im Lied "Am Tage X".



Kann eine Musikrichtung oder ein Riesen-Event wie "Woodstock" oder "WAAhnsinn" heutzutage noch eine menschliche Generation politisch wachrütteln?
Nötig wäre es. Ich weiß es nicht, glaube aber schon. Diese Problematiken, das erforderliche Wachrütteln ist generationsbedingt. Es gibt Jahrgänge, die beschäftigen sich überhaupt nicht mit gesellschaftlichen bzw. politischen Problemen oder Entwicklungen. Dann kommen wieder andere Generationen, die versuchen, in ihrem Land etwas zu ändern. Das Problem liegt für mich viel mehr darin, dass es zu viele neue Sachen gibt. Denn grundsätzlich kann man mit Musik eine Menge bewegen. Solche Musik kommt im Moment aber viel zu kurz. Wenn ich mir irgendwelche Casting-Shows im TV ansehe und mit ansehe, wie eine Band gebastelt wird, ist es nur logisch, dass eine politische Botschaft auf der Strecke bleibt.



Der Punk wird in Lexika beschrieben als eine Lebensform mit respektloser, resignierter bis aggressiven Haltung gegenüber der Gesellschaft. Warum gibt es keine kolossale Protestbewegung mehr gegen mancherlei politischer und gesellschaftlicher Grundhaltungen?
Ich habe den Eindruck, wir sind nur noch eine domestizierte Bevölkerung, die ihren Ausdruck nur noch bei H&M sucht und keine weiterreichenden Ansprüche hat als die, die außerhalb des Farbfernsehers liegen. Hinzu kommt, dass die Mitbestimmung im eigenen Land immer weiter eingeschränkt wurde und wird, sodass es sie mittlerweile kaum mehr gibt. In anderen Staaten, wie der Schweiz, ist dies anders. Daraus folgt für mich auch die zur Zeit feststellbare Resignation in unserem Land.



Der Punk ist tot! Lebt der Punk?
Ich glaube, er lebt schon. Punk heißt im Grunde ja, dass jeder persönlich mal erst sein Leben lebt. Punk war ja nie eine Geschichte des Kollektivs, die sich dadurch auszeichnete, dass man sich als Gruppe kaputte Klamotten anzog und um die Häuser zog. Es ist eine Lebensform, um sich selbst zu finden, zeigen, definieren. Punk gibt einem letztlich eine eigene Art Lebensstil und manchmal auch die nötige 'Scheissegal'-Haltung gegenüber gesellschaftspolitischen Normen.



Kommen wir zu NoRMAhl: Wenn es am schönsten ist, soll man gehen. Habt ihr diesen Absprung Mitte der 90er verpasst?
Nein, wir haben den Absprung ja letztlich geschafft. Wir haben 1996 aufgehört, zwar im Streit innerhalb der Band, also nur intern, aber bei den Musikfans waren wir durchaus noch beliebt. Wir hatten unterschiedliche Auffassungen über die Band, wollten uns auch nicht weiter von irgendwelchen Firmen in bestimmte Ecken drücken lassen und Punk auf Kirmesveranstaltungen spielen.



2002 das Comeback! Was hatte sich in den sechs zurückliegenden Jahren geändert?
Ach weißt du, was ändert sich schon? Wir haben uns getroffen und von Anfang an ein paar Grundsätze festgelegt. Wir haben keinen Druck, überall spielen zu müssen, um zu leben. Es gibt keine Plattenfirma, die sagt, "Ihr müsst bis dann und dann neue Sachen machen". Wir sind unabhängig vom Management. Dies alles war eigentlich der Grundstock für ein gutes Comeback.



Muss man sich in einer Punkband weiterentwickeln oder eben gerade nicht?
Na klar muss man sich weiterentwickeln, sonst gibt es keine Zukunft. Wir sind ja schließlich auch keine Punkband aus einer resignierten Grundeinstellung. Punk entwickelt sich weiter, ändert vielleicht sein Aussehen, bleibt aber. Was nutzt es, in der Vergangenheit von 1910 zu schwelgen und dieser Zeit nach zu trauern, wenn man im Jahr 2007 lebt? Ich habe auch den Eindruck, dass wir uns musikalisch und textlich weiterentwickelt haben. Gut, manche unserer Texte sind auch heute noch brandaktuell. Die haben wir vor 20 Jahren vielleicht vor einem anderen Hintergrund geschrieben, werden aber aufgrund anderer Entwicklungen immer wieder aktuell.



Ist etwas zum 30-jährigen Jubiläum im nächsten Jahr geplant?
Mal schauen. Eigentlich bisher nicht. Vielleicht könnte man mal etwas ganz anderes machen. Eine Revue über 30 Jahre Punkrock aus den Anfangszeiten und Stücke aus dem Hut zaubern, die man früher oder auch seltener gespielt hat. Oder "30 Jahre Punk in der schwäbischen Provinz", das hätte auch noch etwas. Mal schauen, das werden wir sehen und kurzfristig entscheiden. Jedenfalls gibt es kein klassisches von uns selbst großartig inszeniertes Firmenjubiläum.



Ihr seid eine der ältesten deutschen Punk-Bands, hattet aber nie "Ärzte"- oder "Toten Hosen"-Status. Wurdet ihr unterschätzt?
Ich weiß nicht, kann schon sein, vielleicht aber auch nicht. Das ist sehr schwierig zu sagen. Ich glaube, wir waren tatsächlich mehr Punk als die anderen. Wir haben die Massenmedien nicht so sehr genutzt, aber auch nicht so sehr bedient. Wir waren letzlich immer eine Punkband mit Clubcharakter.



Was ist dein Lebensmotto?
Mein Lebensmotto? Mein Lebensmotto ist, keines zu haben.



Okay. Eine Frage noch. Was ist deine persönliche, politische Botschaft?
Ach weißt du, es gibt so vieles, was einen hier ankotzt. Beispielsweise die Diskussion Klar/Monhaupt. Hier wird mir zu viel Gesinnungspolitik gemacht. Klar hat nicht gesagt, man müsse den Kapitalismus mit Waffen bekämpfen. Auch das Grundgesetz sagt, dass dies keine Staatsform ist. Ich bin mir nur nicht sicher, ob Stoiber nicht den Kapitalismus gerne als Staatsform sehen würde. Und warum sollen die Zwei nicht auch eine zweite Chance verdient haben? Wenn ich sehe, dass sich ein Hartz freikaufen kann, haben andere auch die Chance verdient.



Möglich. Aber Monhaupt ist zu fünf Mal lebenslang und ein paar Jahre zusätzlich verurteilt worden. Insgesamt also um die 80 Jahre. 27 Jahre Vollzug sind eine kurze Zeit gemessen daran!
Schon. Aber es wurden extra die Gesetze geändert damals, um diese Urteile so sprechen zu können. Die gab es früher so ja gar nicht. Ich denke, dass auch der Staat seinen "Bekämpfern" mit Milde begegnen kann. Außerdem werden andere Mörder auch nach X Jahren in die Freiheit entlassen. Auch hier wird nur eine soziale Prognose gestellt, die die Rückkehr in ein Leben außerhalb des Gefängnisses ermöglicht. Diese werden auch nicht nach ihrer politischen Einstellung gefragt. Ebenso befremdet mich immer wieder, wie unterschiedlich ein Strafmaß ausfällt, abhängig davon, in welcher "Kaste" Verbrechen geschehen. Wenn ein Politiker ermordet wird, fallen Urteile immer wesentlich drakonischer aus, als bei anderen.



Okay, das lassen wir so als Schlusswort stehen, sonst sitzen wir hier in einer Stunde oder morgen noch. Vielen Dank und viel Spaß gleich.




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