LOST WORLD ORDER :: Mad Max mit Bananen im Haar
Stil: Thrash Metal - Review zu "Marauders" lesen
Bandmitglieder: Matty (v, g), Draconiz (d), McZ (b), Hedrykk (g)


RAIDER heißt jetzt TWIX und SPECTRE DRAGON seit einiger Zeit LOST WORLD ORDER. Aber auch da hat sich qualitativ nichts verändert, wenn man von einer kontinuierlichen Steigerung mal absehen möchte. Das neuste Werk der Bielefelder Thrasher namens "Marauder" hat es jedenfalls in sich und der Mix aus Thrash und Melodie und der einen oder anderen Überraschung sorgt definitiv für eine kurzweilige Unterhaltung und macht klar, dass die Zukunft des Thrash Metals gesichert und die der Menschheit am Arsch ist. Mätty, seines Zeichens Texter, Sänger und Gitarrist hat sich etwas Zeit für meine Fragen genommen. Here we go! (chris)
www.lostworldorder.com



Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, hieß eure Band noch SPECTRE DRAGON. Was hat euch schlussendlich zu dem Namenswechsel getrieben, obwohl sich personell und musikalisch kaum was geändert hat?
Der Namenswechsel war naheliegender als es vielleicht auf den ersten Blick den Anschein macht. Als die Band 1990 anfing, ging es textlich um klassische Fantasy-Geschichten, wozu der ursprüngliche Bandname sehr gut passte. Als ich dann 1999 neben der Gitarre das Mikro und damit auch das Texten übernommen habe, hatte ich große Schwierigkeiten, mich dieser Thematik zu nähern. So etwas kann man nicht erzwingen, dafür muss man einfach ein Faible haben. Meine Texte wurden später zunehmend von der Realität beeinflusst, sowohl von zwischenmenschlichem Verhalten als auch von politischen Sachverhalten. Parallel dazu wurden wir musikalisch immer härter und sind 2004 mit "Beyond Creation" endgültig beim Thrash gelandet.

Zu dieser Entwicklung wollte der alte Name nicht mehr so recht passen, und außerdem konnten wir uns nicht mehr damit identifizieren. Wir hatten auch alle unsere Rollenspielerzeit, aber das ist mittlerweile ewig lange her und reizt uns nicht mehr besonders.

Der neue Name sollte auf der einen Seite unmissverständlich nach Metal klingen und auf der anderen Seite eine Botschaft rüberbringen, die unsere Musik und Texte repräsentiert. LOST WORLD ORDER ist dafür perfekt.





Das Endzeit-Thema scheint dich ja sehr zu beeinflussen, wenn du die Texte schreibst. Kommen die Texte eher von deiner negativen Einstellung der Menschheit gegenüber oder spielst du bewusst mit dem MAD MAX-Thema? Bist du eher Misanthrop oder Endzeit-Krieger?
Misanthrop hätte ich mich vor einigen Jahren vielleicht genannt, aber ich bin nicht kontaktscheu und mag auch viele Menschen. Demnach kann ich heutzutage kein leidenschaftlicher Menschenfeind sein.
Endzeitkrieger trifft es vielleicht ein wenig besser, und klassische Filme zum Thema beeinflussen mich ohne jeden Zweifel. Dennoch fußen meine Texte in der Realität.

Eine gewisse negative Geisteshaltung gegenüber der Menschheit im Ganzen ist sicher die Triebfeder für unsere Texte. Das hat allerdings weniger mit dem Wesen Mensch als vielmehr seinem sozialen Verhalten zu tun, das sich buchstäblich von Tag zu Tag verschlimmert. Rohe Gewalt steht unter Jugendlichen immer mehr an der Tagesordnung, das Gefälle zwischen arm und reich wird immer extremer, und unsere Politiker pflegen lieber ihre Profilneurosen statt ernsthafte Politik zu betreiben.
Dazu kommen mediale Verdummungsversuche der plumpsten Sorte, weltweite Kriege, Hungersnöte, Naturkatastrophen und der Treibhauseffekt.

Man muss also nur mal das tägliche Leben beobachten, um hoffnungslose Texte zu schreiben. Allerdings habe ich auf "Marauders" angefangen, eine zusammenhängende Story zu schreiben, die diese Themen aufgreift. Es geht nicht darum, zu predigen. Ich habe lediglich beschrieben, wie die Welt vielleicht eines Tages aussehen könnte und das Ganze mit Bildern aus dem Hier und Heute verknüpft.
Die Story wird auf den nächsten Alben sicher weiter geführt, denn obwohl die Welt in der Geschichte vollständig zerstört ist, regt sich noch etwas.





Was ist für dich die größte Bedrohung des 21. Jahrhunderts?
Du beziehst Dich sicher auf den Album-Opener "21st Century Threat", aber der ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Den Begriff hat George W. Bush in einer Rede in Bezug auf biologische Kriegsführung benutzt und dabei die Welt aufgefordert, Experimente in dieser Richtung zu unterlassen. Es gab daraufhin tatsächlich ein entsprechendes Abkommen, aber rate mal, wer sich darüber hinweg gesetzt hat?!

Die größte Bedrohung kann man nur schwer beziffern, weil extrem viele Fäden zusammen fließen. Die Menschheit ist sich selbst der größte Feind, soviel steht fest. Dennoch darf man nicht vernachlässigen, dass die Natur sich mittlerweile an uns rächt. Darüber hinaus sind mangelnde Bildung und Desinteresse an derselben für meine Begriffe eine große Bedrohung. Das führt nämlich dazu, dass wir unsere Fehler nicht ausmerzen, sondern nur noch weiter verschlimmern.

Der wirtschaftliche und industrielle Aufschwung in Ländern wie China oder Indien ist zurzeit ebenfalls gefährlich für Natur und Umwelt. Dort werden momentan dieselben Fehler gemacht wie hier vor dreißig Jahren, wodurch Versuche, gewisse Schäden zu heilen, deutlich weniger Erfolg versprechen. Das kann man diesen Ländern sicher nur teilweise anlasten, dennoch ist es ein Fakt.

Die Antwort auf die Frage kann ich also in diesem Moment nicht eindeutig beantworten, aber es gibt so viele Bedrohungen, dass man gar keine als die Schlimmste beziffern muss.





Der Gesang hat sich stark verändert und klingt teilweise nach Mille in der "Renewal"-Phase, wie ich finde. Liege ich richtig und/oder wer ist dein Vorbild im Gesangsbereich?
Die Veränderung finde ich gar nicht so gravierend, ich bin meiner Meinung nach eher ein Stück in Richtung "Beyond Creation" zurückgegangen, wogegen "This Apparatus Must Be Earthed!" gesanglich und auch musikalisch ein Stück weit brutaler war.

Ich gebe allerdings gern zu, dass ich häufiger mal den Mille von der Kette lasse, und KREATOR waren für mich auch immer eine extrem wichtige Band.

Ansonsten finde ich im Thrash-Bereich Chuck Billy, Paul Baloff und Blitz sehr stark. Ich mag es auch durchaus, kleine Tribute in die Musik einzubauen. Vor einigen Jahren hatten wir einen Song namens "Thrash Metal Legions", auf "Marauders" finden sich diverse kleine Zitate, und ein bisschen Mille hier und da passt da doch ganz gut zu. Trotzdem denke ich, dass speziell die Mischung aus Thrash-Shouting, Growls und heiserem Gekeife meinen Gesang recht eigenständig macht.





Verbessertes Songwriting und abwechslungsreichere Songs (z.B. "Vulture Society" oder "Welcome to the Slaughterhouse") sorgen für eine enorme Abwechslung auf der Scheibe, war das ein geplanter Schritt und woher nehmt ihr diese Inspirationen?
Bessere Songs versucht man natürlich immer zu schreiben. Unsere Inspirationen kommen aus dem Metal, und das hat sich eigentlich auch nicht geändert. Wir limitieren uns jedoch nicht und öffnen uns in alle Richtungen, die wir mögen, diesmal noch mehr als zuvor. Daher vielleicht die stilistische Vielfalt auf "Marauders".

Aber es gibt natürlich einige weitere Dinge, die eine Weiterentwicklung begünstigen. Zum einen beherrschen wir unsere Instrumente heute besser als noch vor zwei Jahren, zum anderen bekomme ich immer mehr Draht zu griffigen Hooklines.

Ich habe diesmal die Gesangslinien nicht parallel zum Schreiben der Musik ausgearbeitet, da ich durch das Textkonzept erst später damit anfangen konnte. Dadurch heben sich meine Gesangslinien diesmal ein wenig mehr von den Gitarrenriffs ab, was meiner Meinung nach einiges ausmacht. Das macht es mir zwar umso schwerer, die Songs live zu bringen, macht es aber für alle Beteiligten auch spannender.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir diesmal nur acht Songs gemacht haben. Unsere letzten Alben hätten rückblickend immer auf zwei, drei Stücke verzichten können, diesmal haben wir uns von vornherein das Credo gesetzt, nur acht Tracks zu schreiben. Die wollten wir dafür aber so lange bearbeiten, bis wir vollkommen zufrieden damit sind. Und genau so ist es gekommen, einige Songs haben sich seit der ersten Demo-Aufnahme deutlich verändert. Dafür kann ich mir das Album täglich voller Stolz anhören und entdecke keine Schwachpunkte.





Es ist schon mehr als großzügig, wenn ihr ein so hervorragendes Album wie "Marauders" verschenkt. Wie kamt ihr auf die Idee, eure neue Scheibe als kostenlosen Download auf die Seite www.lostworldorder.com zu stellen, anstatt es zu verkaufen?
Wir haben es viele Jahre genau so gehalten wie der restliche Underground und mühselig versucht, unsere Scheiben an den Mann zu bringen. Ist ja auch keine schlechte Sache, aber wir wollen halt von möglichst vielen Menschen gehört werden. Das geht nur auf einem Weg wie diesem. Wer das Teil dann mag, kann gern die LP kaufen.

Man muss das mal so sehen: jede kleine Band hat einen eigenen Webshop, aber Vertriebswege sind rar. Damit steht man nicht im Laden, womit eine beträchtliche Käuferschicht entfällt. Außerdem ist das Angebot riesig, da fällt es schwer, überhaupt einen Überblick zu bekommen.

Auf Konzerten sind außerdem viele Leute, die einfach nicht genug Geld haben, neben dem Eintritt und ein paar Getränken noch Tonträger zu kaufen. Die sollen trotzdem die Chance bekommen, unsere Musik zu hören und mit uns zu kommunizieren. Die Metal-Szene war immer gut zu uns, jetzt geben wir eben etwas zurück. Außerdem ist das natürlich sehr gute Werbung für Konzerte und so weiter. Es profitieren also alle Seiten von der Sache.





Gratulation zur Vinyl-Auflage! Eure beiden LWO-Scheiben sind ja als aufwändige Vinyl-Auflagen erhältlich. Wer ist für diese Idee verantwortlich?
Danke sehr! Die Idee war ursprünglich meine, da ich fanatischer Vinyl-Sammler bin, aber nach und nach haben sich die anderen Drei davon anstecken lassen. Unser Bassist McZ hat mittlerweile sogar selbst wieder angefangen, LPs zu sammeln.

LPs sind einfach in allen Belangen toller als CDs. Sie klingen besser, sehen besser aus und haben für so ziemlich alle Sammler einen weitaus größeren ideellen Wert.

Ich höre zum Beispiel auf zwei Arten Musik. Wenn ich Auto fahre oder den Haushalt mache, lege ich eine CD auf wegen der einfacheren Handhabung. Setze ich mich allerdings hin und konzentriere mich auf Musik, kommt nur Vinyl in Frage. Das Ritual ist einfach toll, und es gibt viel mehr zu entdecken. Das geht beim Cover los und setzt sich zum Beispiel bei Foto-Collagen fort, wie sie in den Achtzigern gang und gäbe waren und auch heute wieder in Mode sind. Vinyl ist einfach das Geilste!





Ist es nicht kostspielig und ein großes Risiko, eine limitierte Vinyl-Auflage als Untergrund-Band rauszubringen?
Ja, das ist es. Aber was soll's? Wir haben zusammen geschmissen und das gemacht, was uns selbst am besten vorkam. Das haben wir auch früher schon gemacht. Bei "Beyond Creation" war es ein Digipack, das optisch wertiger war als die meisten Eigenproduktionen, bei "This Apparatus Must Be Earthed!" haben wir erstmalig 'ne LP gemacht, was auch eher aus dem Rahmen fällt. "Marauders" ist jetzt genau so, wie ich mir als Käufer selbst meine Platten wünsche. Gatefold, Splatter-Vinyl, Bonus-Patch, das ist doch für einen Sammler megageil.

Der Grund liegt auf der Hand. Wir schulden niemandem außer uns selbst Rechenschaft, die Finanzen liegen allein in unseren Händen. Und wir selbst sind Fans unserer Musik und stehen zu tausend Prozent hinter dem, was wir machen. Also versuchen wir natürlich, unsere Musik bestmöglich zu präsentieren, weil sie es uns wert ist. Wenn die Scheibe gekauft wird, freuen wir uns tierisch darüber. Wenn nicht, ist das zwar schade, aber zumindest kein Weltuntergang.




Da du ja selber Vinyl-Sammler bist: welches sind die letzten 5 Scheiben, die du gekauft hast?
Die letzten fünf Scheiben sind schwer zu sagen. Ich habe kürzlich einige Re-Releases von MOLLY HATCHET gekauft, ein paar alte Schätzchen von RUSH, TRIUMPH und RAINBOW, die letzten Scheiben von EVILE und GAMA BOMB, und momentan warte ich auf ein größeres Päckchen. Da sind zum Beispiel die Vinyl-Re-Releases von vier KING DIAMOND-Alben dabei. Die habe ich alle als Original-CDs, aber ich muss die Vinyl-Versionen haben. Das nennt man wohl Fanatismus, haha.




Die Bands des "Triple Thrash Treats" scheinen ja unter einem guten Stern zu stehen: HATRED spielen in Dubai, CRIPPER supporten OVERKILL und ihr haut mit "Marauders" ein erstklassiges Lebenszeichen raus.
Wird es einen weiteren Triple Thrash Treat mit CRIPPER und HATRED geben um Fortuna ein wenig auf die Sprünge zu helfen?
Da ist bislang nicht geplant, und obwohl wir viele Freundschaften auf den beiden Touren geschlossen haben, wollen wir das Package nicht überstrapazieren. Es gab allerdings Gespräche, die Sache mal im Ausland fortzuführen. Mal sehen, was draus wird.




Was ist dir von der Tour am ehesten im Gedächtnis geblieben?
Da gibt es einiges. Wir haben tolle Gespräche mit Metalheads in ganz Deutschland geführt, viele erfolgreiche Konzerte gespielt und extrem viele exzessive Parties gefeiert. Beim zweiten TTT hat CRIPPER-Basser Bass-T bei jedem Gig eine Banane (!) mehr in seine Dreads gepfriemelt, und beim Tour-Abschluss haben wir uns gegenseitig mit grenzwertigen Kostümen bewichtelt. Außerdem hatten wir einige nette Erlebnisse mit Nippelklemmen und den Machern von "Schwermetall - Der Film". Nicht vergessen sollte ich auch unseren Tour-"Stalker" Kreidler, der auf zig Konzerten aufgerockt ist und mittlerweile ein Teil unserer großen Familie ist. Und die netten Merchandiserinnen aus Bayern und Wiebke von Hotel666 und viele andere. An diesen Touren hat eigentlich alles Spaß gemacht.




Hat euch die Tour beim Schreiben des neuen Materials irgendwie beeinflusst?
Bei der Frage musste ich sofort daran denken, was OVERKILL zu ihrer Tour mit EXODUS gesagt haben. Wenn sich wie in unserem Fall drei starke Bands zusammenschließen, versucht natürlich jede, eine besonders gute Figur zu machen. Wir alle hatten sehr gute Konzerte und haben starke Alben gemacht. Musikalisch haben uns die anderen beiden Bands weniger beeinflusst, aber es war eines unserer Ziele, weiterhin dieselben hohen Qualitätsansprüche zu erfüllen wie HATRED und CRIPPER. Ein Team ist nur so stark wie das schwächste Glied in der Kette, und momentan sehe ich alle drei Bands aus musikalischer Sicht in Augenhöhe. Deswegen hat diese Sache auch so gut funktioniert, wir alle sind gemeinsam und auch aneinander gewachsen. Und das macht sicher nicht nur mich sehr stolz.




Wird man die Gelegenheit haben, euch neben der Release-Party am 06.03.2010 mit Onkel Tom live zu erleben?
Da gehe ich schwer von aus. Momentan ist noch nichts spruchreif, aber wir wollen sicher nicht auf der faulen Haut liegen. Eine Band wie wir gehört auf die Bühne!




Wie lauten eure konkreten Zukunftspläne?
Noch bessere Musik schreiben, noch bessere Alben aufnehmen, noch mehr Leute erreichen und möglichst oft auf die Bühne!




Irgendwas, was du schon immer mal in einem Interview sagen wolltest?
Eigentlich nicht, ich hatte bisher immer die Möglichkeit, alles auszusprechen, was ich loswerden wollte.
Aber ich möchte hier die Hoffnung äußern, dass fantastische Musiker wie Ronnie James Dio und King Diamond wieder vollständig gesund werden und uns weiterhin mit Platten und Konzerten beglücken!

Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass der Untergang der Menschheit nicht mehr weit ist und es daher dringend notwendig ist, rechtzeitig unser Album runterzuladen, hehe.

Danke für das coole Interview, wir sehen uns bei unserer Release-Party!





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