New Model + Army Honigdieb |
Bielefeld, Ringlokschuppen 01.11.2005 Beginnen möchte ich mit einem lieben Gruß an alle Konzertveranstalter. Wer eine derartige Preisspirale betreibt, wäre vor einigen Jahrhunderten geteert und gefedert, gekreuzigt und dann gevierteilt worden. Nach der heutigen Zeitungslektüre relativiert sich der Preis von 26 Euro (Beispiel: der unverschämte Schiefmund Billy Idol mit 51 Euro) Da sich NMA mal abgesehen vom alljährlichen Weihnachtskonzert in Köln tourmäßig eher rar gemacht hatte, dürfte der Preis wohl ein Grund dafür gewesen sein, dass der Schuppen nur zu knapp zwei Dritteln gefüllt war. Gespannt durfte man sein, wie die Vorgruppe "Honigdieb" vom Publikum aufgenommen wurde. Mastermind Sir Hannes konnte in vorigen Bands seit den 80ern Punks (mit "The Idiots") und Dark Rocker (mit "Phantoms of Future") begeistern. Mit seiner aktuellen Combo sprengt er sich durch jedweges Schubladendenken und begeistert mit seiner charismatischen Aufführung. Welcher normal Sterblicher käme auf die Idee, Chanson mit Punk zu verbinden und das Erzeugnis mit jazziger Finesse zu verfeinern und russische Polka fast wie selbstverständlich einzufädeln. Sir Hannes bleibt sich treu und will auch das Publikum verwirren. Rockige Klänge paarten sich heute mit Klassik und an französischen Chanson oder Tim Fischer erinnernden Akrobatiken. Der Gaukler hinter'm Mikro hat immer den Schalk im Nacken und wartet mit allerlei Gimmicks auf. Tauscht mal den Zylinder mit einer Pudelmütze, bei der die Pudeln langgezogen unter den Ohren hängen. Abgedreht auch die Texte wie "fick dich ins Knie Madame", "ach du süße kleine", "Das Tier" und doch ist man immer auf der "Suche nach dem Glück". Honigdieb ist kein Konzert, es ist perfektes Theater mit einer musikalischen Begleitung. Dergleichen hatte man heute reichlich parat. Gitarre, Kontrabass, Violine, Querflöte, Schlagzeug verleihtem dem Auftritt eine Mischung aus Klassik, Rock und wer weiß nicht was. Diese Combo macht einfach Spaß. Spaß verbreitete danach auch die Armee um Sänger Justin, allerdings könnte mancher Bissen im Halse stecken bleiben angesichts der direkten Sprache und der sozialkritischen Texte. Was NMA ausmacht ist natürlich auch, dass man sich bemüht, immer zuerst vor der eigenen Haustür, sprich England zu kehren, was in einem deutschen Satz deutlich zuvorkamm. Justin: "Ihr haltet uns doch für Inselaffen, wisst ihr was, ihr habt recht". Da es heute gerade zu Beginn des Auftritts darum ging, das neue Album "Carnival" vorzustellen, und ich kaum einen Song kannte, war es nicht immer leicht, begeisternd mitzuwippen. Aber die Band hat in ihrer langen Schaffensphase nichts an Brachialität verloren, was sich sowohl in den Texten als auch in den druckvollen Rock Songs wiederfindet. Das meist ältere Publikum kam dann auch besonders bei den älteren Stücken aus sich heraus. "Stupid Questions" verleitete gar zu dezenten Pogo Einlagen. Aber Justin beherrscht auch die ruhigen Momente, wie er im allein von Akustik Gitarre begleiteten "better then them" bewies. Die heftige Seite der Band wurde dadurch noch brachialer ausgerichtet, wobei man teilweise ein zweites Schlagzeug einsetzte. Der Zahnarztfeind Justin benutzte während seines Auftritts erneut reichlich Gitarren und er versteht es wie kein Zweiter, dem Zupfinstrument ein brachiales Eigenleben einzuhauchen, sei es akustisch oder elektronisch. Gerade in den ruhigen Passagen konnte man mit samtenen Lichtkreationen eine Gänsehauatmosphäre auf die Bühne zaubern. Ansonsten verzichtete NMA auf Schnickschnack und ließ allein die Songs sprechen. Ein wenig mehr alte Songs hätten es schon sein können und auch wenn "51 State" ausgelatscht ist, der alten Zeilen Willen hätte ich es gerne gehört. (andreas) |