Unheilig + Secret Discovery
Hannover, Capitol 03.03.2006

Da sich OWL in Sachen guter Musik immer mehr dem Mief einer Provinz nähert und lieber auf "Top Adressen" aus der Bravo Schatulle zurückgreift, muß man wieder die A2 bemühen und gen Hannover tingeln. Heutiges Ziel waren die Innereien des Capitols und das damit verbundene Auftreten der alten (Secret Discovery) und neuen (Unheilig) deutschen Goth Rock Formationen.





Da wären wir dann auch mitten in ein Phänomen geplatzt. Die Alten (Zwanzig Jahre Konzerte, 8 Alben) lieferten der Zukunft den Support. Derartige Wirren des Musikbusiness sind seit HIM/MISSION aber an der Tagesordnung, derer wir uns da mal zuwenden wollen. Ich meine natürlich die Tagesordnung, nicht die Wirren, obwohl Letztere bei Secret Discovery nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Das neue Album finde ich, um es mal positiv auszudrücken, nicht besonders gelungen und auch live konnten mich Songs wie "Away", "nichts ist wie es wahr" oder "lass mich los" nicht begeistern. Wenn dann noch eine leicht statische Show, der fehlende Bochum-Begleitservice (obwohl, einer war garantiert da, anders wäre der Ruf nach "Zerstörer" nicht zu erklären) im Publikum und die dezente Herunterspielung der Saiten dazu kommt, krieg' ich Gänsehaut, diese bekamen natürlich auch einige beim endzeitromantischen "mein kleiner Tod", sicherlich eines der besten Stücke auf dem Album, welches diesmal ganze sechs deutsche Stücke beherbergt, wobei allerdings keins an "sieh nicht zurück" heranreicht. Da sie heute auch diesen Song in ihren Programm integrierten, könnte aufmerksamen Hörern der enorme Qualitätsunterschied aufgefallen sein. Die Stücke sind nicht nur ihrer Aggression beraubt, sie lassen auch die betörende Refrains des Vorgängers außer Acht. Kein Wunder, dass bis zum Endspurt "Down" der Höhepunkt des fast 60minutigen Auftritts war. Der Endspurt, der versetzte aber wieder meine Augen in glänzendes Verständnis zum Klangauffanggerät an den Seiten des Kopfes. "Follow me" ließ die Saiten wieder das Keyboard bestimmen und die Stimme bekam ihren dunklen, rauen Klang. Damit wurde der Exkurs zum 96er Album "Slave" eröffnet, von dem auch ihr erstes heutiges Cover stammte, "Slave to the Rhythm" (im Original von Grace Jones) wurde energisch und doch mit der Leichtigkeit der 80er dargeboten. Eine Schippe Explosion legte man dann in das stärkste Stück des Abends, "I' don't care". Harmonie spielte mit Aggression und SC bewegten sich auf einem Spielfeld, auf dem sie sich bestens auskennen, auch wenn man die Brachialität der Gitarren ein wenig aus dem Strafraum beförderte. Das folgende Billy Idol Cover "Rebel Yell" war alles andere als misslungen, schien aber im Vergleich zu den drei Vorsongs etwas deplaziert. Den passenden Ausklang bot dann wie in den letzten Jahren üblich "Hello, goodbye". Wie ich den Gästebucheinträgen entnommen habe, hat dem Publikum der Auftritt gefallen. Ich halte mich zurück, entstaube den Plattenspieler und folge dem "Way to Salvation". Als Nostalgiker hat man in diesem Genre ein schweres Leben.




Danach folgte die Band, welche mich zum Kirchenaustritt drängte. Kleiner Scherz. Eine erfreulich kurze Umbaupause liess eine Leinwand senken, die sich wenig später erhob. Was hatte sich auf der Bühne geändert? Reichlich Kerzen sind angezündet worden, genau 29 Stück ( 13 ! bildeten ein Dreieck, welches von jeweils 8 Kerzen von der Mitte aufsteigend drapiert wurden). Die Riesenuhr im Hintergrund zeigte 5 vor Zwölf und das Intro ließ das Uhrwerk akustisch rattern. Die beiden Statisten an Gitarre und Keyboard ließen sich den Dunst der Kerzen um die Nase blasen und das Publikum, mittlerweile berauscht von Euphorie, hieß den Grafen willkommen, der auch gleich die vordere Empore ausgiebig nutzte, um von den Kerzen wegzukommen und das romantische "Luftschiff" fliegen zu lassen. Ich, der ich zwei Jahre Bühnenbild studierte, vermisste zwar einen Zeppelin, der sich in die Kerzen stürzte, aber das war egal. Es wurde dann auch kein visuelles Live Erlebnis, sondern eher eine Traumreise in die Persönlichkeit des Grafen, welches mit reichlich Romantik, reichlich Melodie und einer Harmonie zwischen Obrigkeit und Publikum getragen wurde. Kitsch und Pathos reichten sich die Hand und das nicht im negativen, sondern in einem sehr getragenen Sinne. Die Band nutzte ihre Zeit und bot neben den fast gänzlich dargebotenen neuen Album ("Moderne Zeiten") auch sämtliche Hits aus der Vergangenheit, wie "Schutzengel, "Sage ja" und auch heimliche Klassiker wie das betörend schleichende "Schneemann". Der Graf hielt sich zwar weitestgehend mit Ansagen zurück, aber wenn er mal ins Detail ging, wurde es sehr persönlich. Hier sei die Ansage zum Schlussstück "mein Stern" mal erwähnenswert. Das Auditorium bewies des öfteren Background-Qualitäten und unterstützte den Grafen, bzw. liess seine Augen hinter den bösen Kontaktlinsen funkeln. Bei "Freiheit" wurde das "dann musst du lauter schreien" begeistert umgesetzt. Unheilig verstanden es zudem perfekt, zwischen ruhigen Songs, straighter Eleganz und tanzbarer Musik zu pendeln. Davon abgesehen könnte an der Show noch ein wenig gefeilt werden, das Auge isst schließlich mit. Naja irgendein Goethes Erben Konzert hatte ihn doch beeinflusst und so verteilten sie vorm Schlußsong "mein Stern" reichlich Wunderkerzen ans Publikum (bitte keine Bemerkungen, ich weiß sehr wohl, dass es bei GE Wachskerzen waren). Der romantische Ausklang eines Abends, der schön war. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.


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