SLIME + 20 YEARS OF HATE ::: Politische Bildung inkusive
Musa in Göttingen am 27.11.2010
(Fotos by Chris)

Bin ich musikalisch gesehen schizophren? Egal, denn in meiner Welt kann ich an einem Tag zu DEEP PURPLE gehen und drei Tage später zu SLIME und beide Bands bedeuten mir doch viel.

Das Besondere an diesem Abend ist sicherlich, dass die Eltern Holger und Anett uns begleiten und dafür die Kinder mal kurz anderweitig untergebracht haben. Aber SLIME sieht man ja auch nicht alle Tage und da muss man schon mal Opfer bringen, zumal Holger sich extrem darauf freut. Allerdings muss er noch ein weiteres Opfer bringen: aufgrund seines angesägten Fingers ist es ihm strengstens untersagt, zu pogen, was ihn im Laufe des Abends schier verzweifeln lässt, während wir und der Gerstensaft aber alles versuchen, um ihn von diesem Makel abzulenken.




Die MUSA ist eine kleine Halle, die im Vorfeld schon das "Ausverkauft"-Schild aufgehängt hat und wer schon mal in der MUSA war, weiß, was das heißt: Hitze, schlechte Sicht... Punk eben. Und so kommt es auch, auch wenn bei 20 YEARS OF HATE nicht alle Besucher an diesem schweinekalten und verschneiten Novemberabend den Weg in die Halle gefunden haben. Die Band aus Göttingen knallt eine fette Dröhnung aus Punk-Coversongs in die Menge, die sich sichtlich freut und die ersten Pogoliten machen sich vor der Bühne breit. Uns gefällt die Mischung aus deutschen/englischen Punksongs mit einer Prise Hardcore sehr gut und man kann attestieren, dass die Jungs live hochgradig unterhaltsam sind, was ja wohl das wichtigste ist, gelle?! Geiles Ding!

Manchmal vergisst man, welchen Einfluss bestimmte Sachen auf das Leben haben. Früher habe ich viel SLIME gehört und bereits 1993 auf dem starken "Cult ya"-Festival auf Northeims Waldbühne gesehen, aber in den letzten Jahren sind sie nicht nur von der Bildfläche verschwunden, sondern mehr oder weniger auch aus meinem CD-Player. Nachdem man die Reunion vernommen hat, ist das Interesse sofort wieder da gewesen und umso größer war die Freude, als die Tourdaten herauskamen und wir sahen, dass sie in Göttingen spielen werden.
Aber als die Band nach einer kurzen Umbaupause in Göttingen auf die Bühne kommt, merkst du, dass da noch ganz viel mehr war. Identifikation. Politische Bildung. Wegweiser in einer Welt, in der man sich erst zurechtfinden muss. Die Texte wurden nie einfach nur gehört, sie wurden verinnerlicht. Neben einer ganzen politischen Generation haben die Hamburger Punks halt auch einzelne Individuen geprägt.




Naja, wenn ihr so was schon einmal erlebt habt, wisst ihr ja, was los war, als Dirk "A.C.A.B" als Opener anstimmt! Adrenalin pur! Was dann folgt, ist ein Rausch. Die Songs, die Stimmung, die Band, alles ist ein großes Ganzes. Besonders lobenswert ist das Verhalten der pogenden Menge, denn sobald jemand stürzt, sind die Umstehenden sofort dabei und helfen den Stolpervogel wieder auf die Beine.
Dirk hat gar nichts von seiner Ausstrahlung verloren und im Vorfeld hatte ich auch ein wenig meine Bedenken, ob die Band nach 15 Jahren Pause Anno 2010 noch arschtreten kann. Und wie! Ich schwöre euch, dass SLIME 2010 noch genauso wichtig sind, wie 1979. Mir fällt schwerlich ein größeres Kompliment ein, welches man der Band könnte, aber so ist es! Seine Ansagen sind aktuell und zeigen (genau wie z.B. 1984) wo die Missstände in diesem Land liegen. Allerdings widmet er den Song "Schicksalsspiel" wegen des am nächsten Tag stattfindenden Spieles gegen Werder Bremen seinem Verein, dem FC St. Pauli. Nun gut, so sehr ich Dirk als Charakter auch schätze, aber da haben wir leider eine unüberbrückbare Differenz, wie mir scheint. Aber zum Glück müssen wir nicht alle die gleichen Vereine lieben, sonst wären wir wahrscheinlich noch alle FC Bayern-Fans...kotz! Dennoch: hier regiert der SVW!

Elf und Christian sind die unbestreitbare Macht an der Doppelklampfenfront und zeigen so manchem Möchtegerngiffbrettschrubber, wo der Hammer hängt. Wenn man sieht, wie Elf das Wasser vom Kopf tropft, weiß man plötzlich, dass Punk Arbeit ist! Auch die beiden "neuen", nämlich Nici am Bass und Alex am Schlagzeug überzeugen als Bandmitglieder auf der ganzen Linie.
Egal ob die Songs von den ersten drei legendären Alben stammten oder den stilistisch offeneren Alben der Neunziger, hier sticht heute einfach alles. Ein Aufzählung der Songs habe ich mal an das Ende gehängt, da lässt es sich sicherlich besser lesen.



Es tut mir fast leid, aber ich kann nichts mehr schreiben, denn wenn alles geil ist, ist damit alles gesagt! Keine Kritik! Kein Anlass zu meckern! Nur die unbedingte Empfehlung an alle, die die Chance bekommen, die Band noch einmal live zu sehen: geht hin! Sie blasen euch weg, versprochen! Eintritt und Preise für das Merchandise liegen im erschwinglichen Rahmen, also habt ihr keine Ausrede! Tourdaten etc. gibt es auf der Webseite www.slime.de.

Mein Dank geht an Elf für seine Unterstützung und besondere Grüße an Holger: Danke für den Pulli. Danke für den Pulli. Warum ich das zweimal schreibe? Das müsst ihr Holger fragen...(chris)

Setlist 27.11.2010 in Göttingen:
1. A.C.A.B
2. Legal Illegal Scheißegal
3. Hey Punk
4. Etikette tötet
5. Schweineherbst
6. Alptraum
7. Linke Spießer
8. Zu kalt
9. Störtebecker
10. Seekarten
11. Stillstand
12. Wenn der Himmel brennt
13. Gerechtigkeit
14. Polizei SA/SS
15. Schicksalsspiel
16. Gewinnen werden immer wir
17. Alle gegen Alle
18. Mensch
19. Heute hier morgen dort (Hannes Wader)
20. Brüllen, zertrümmern und weg
21. Streetfight
22. Ich war dabei
23. Religion
24. Die Letzten
25. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland
26. Karlsquell
27. Untergang
28. Deutschland
29. Wir wollen keine...


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