WELLE:ERDBALL :: Komplexer Minimalismus
Kulturtor in Goslar am 16.10.2010
(Fotos by Michi)



Hallo, hier spricht WELLE:ERDALL.

Endlich ist es mal wieder Zeit für diesen Satz. Ich habe WELLE:ERDBALL schon unzählige Male live gesehen und ich bin der Musik der Stadthagener Band noch kein bisschen überdrüssig geworden. Auch liegt heute der Reiz ganz besonders darin, WELLE:ERDBALL endlich mal wieder in einem Clubkonzert zu erleben, denn in den letzten Jahren konnte ich sie immer nur im Festivalrahmen mit viel zu kurzen Spielzeiten sehen.

Etwas zu früh kommen wir an diesem nasskalten Abend am Tor 3 an und müssen leider noch eine halbe Stunde bibbernd draußen warten, bis sich die Tore zum Goslarer Kellergewölbe öffnen. Der Andrang ist zwei Stunden vor dem angekündigten Konzertbeginn schon ziemlich groß und so füllt sich nach Einlass die Diskoebene rasch und ein reges Treiben an der Bar und auf der Tanzfläche überbrückt die Zeit bis zur Öffnung der Kellertür zum Konzertraum. Am Merchandise Stand gibt es leider keine T-Shirts mehr zu konsumieren, anscheinend wurde die Band vom Kaufrausch auf der bisherigen Tour überrascht.




Pünktlich gegen 22 Uhr wird endlich der Konzertraum geöffnet und sofort strömt die Menschmasse in den Keller, der auch kurze Zeit später bis zum Anschlag gefüllt ist. Die eh schon kleine Bühne ist mit allerhand Sound Equipment ziemlich überfüllt und so sind, nachdem "A.L.F." (Keyboard), "Honey" (Gesang und Performance, C64-Spieler), "Fräulein Venus" und "Plastique" (Stimmen und Schlagwerk) unter großem Jubel die Bühne betreten haben, die Aktionsradien nicht mehr all zu groß. Los geht's natürlich mit dem obligatorischen "Welle:Erdball" Intro und gleich mit dem ersten Stück "Tanzpalast 2000" haben WELLE:ERDBALL die Zuschauer auf ihrer Seite, denn alle Tanzen, Klatschen oder bewundern zumindest die beiden bezaubernden Fräuleins in ihren wunderhübschen, gepunkteten Petticoats. Nachdem das Stück "Wir wollen keine Menschen sein" nahtlose Tanzbarkeit beweist, gibt's erst mal eine Frage von Honey, wer denn so alles seine privaten Daten wie Schuhgröße oder Schwanzlänge in Communities wie Myspace und Facebook veröffentlicht hat. Und diese Frage ist natürlich die perfekte Einführung für den mahnenden Track "Mensch aus Glas", in dem die Fräuleins mit den schon bekannten Schildern VERMEHRET EUCH oder KONSUMIERE, ähnlich dem Carpenter Film "Sie Leben", die Beeinflussbarkeit des Menschen anprangern. Danach ist Zeit für Plastique mit ihrer goldenen Stimme, die Zuschauer zu verzaubern, denn mit dem neuen Stück "Zauberfee" und "Aus Plastik" gibt's zwei rein weiblich gesungene Stücke. Der Mix aus Neu und Alt geht in der Folge ausgelassen stimmungsvoll und gelungen weiter. Vor dem Illuminaten Stück "23" in seiner C64 Version gibt's eine kurze Softwarepräsentation, an dem geliebten analogen Klangerzeuger, dem Commodore 64, was eine kollektive Ehrerbietung diesem Gerät gegenüber zur Folge hat.



Generell wird dieses Konzert dem Begriff Minimalismus, der ja prägnant für die Neue Deutsche Welle war, so rein gar nicht gerecht. Wie WELLE:ERDABLL ihren Musikstil in den Jahren perfektioniert haben, sucht seines Gleichen. Die Sounds haben eine so intensive Dichte, die Melodien in den Stücken sind ohne Inkubationszeit sofort ansteckend und optisch wird einerseits durch den permanent wild gestikulierenden Honey und natürlich durch die beiden Fräuleins jede Menge geboten. Auch die Verwendung von Instrumenten wie z.B. einer Ätherwellengeige (Theremin) sind extrem originell und machen ein Konzert zum echten Erlebnis.

Weiter geht's mit unzähligen unverzichtbaren Stücken wie dem mächtig stampfenden "Alpha Tier", dem melodiegeladenen "Schweben, Fliegen und Fallen" oder der Arbeiterhymne "Arbeit Adelt", bei dem die Beats von Honey mit einer Stahlstange und einer Blechtonne geprügelt werden. Hammer Soundergebnis! Zudem kommen noch "VW Käfer", "Starfighter F-104G" mit einem ironischen Dank an den Rüstungskonzern Lockheed und die Coverversion des DER LIEDERKRANZ Stücks "Eine Neue Zeit". Nachdem jeder im Tor 3 nach gut 90 Minuten zu "Wo kommen all die Geister her" nochmal so richtig abtanzen konnten, meinen sich Honey & Co. vom ihrer Meinung nach gemütlichsten Konzert der Tour verabschieden zu wollen, allerdings ist jeder der Zuschauer anderer Meinung und so werden WELLE:ERDBALL lauthals zurückgefordert.



Zum Glück mit Erfolg, denn das Konzert geht weiter und zwar mit einem Stück, dass ich so noch nie gehört habe. Plastique übernimmt die Rolle der Sängerin des bis vor Kurzem einzigen deutschen Grand Prix Siegerliedes. Jawohl richtig kombiniert, WELLE:ERDBALL spielen NICOLE'S "Ein bisschen Frieden"! Aber sowas von genial... erst trallert sie mit ihrer engelsgleichen Stimme das Lied wundervoll harmonisch zu Wunderkerzenlicht dem Original nahe ins Mikro und dann wird der Song mit dem lauten Abschuss einer Konfetti-Salve mit dem WELLE typischen Beat zum geilen tanzbaren NDW Reißer. Absolut gelungen. Damit aber nicht genug, denn "Lass uns ein Computer sein", "Monoton und Minimal", "Fred vom Jupiter" und zum Abschluss "Elektrosmog" runden diesen Abend zu einer 130 minütigen Neue Deutsche Welle Party ab, wie sie nicht hätte besser sein können.

Auch nach 20 Jahren Bandhistory haben WELLE:ERDBALL noch jede Menge ungebändigte Energie und Spielfreude, die ihres Gleichen sucht. In dieser Form sind sie ohne zu zögern immer eine Reise wert und wenn dann noch eine so tolle Lokation wie das Tor 3 seinen ganz besonderen familiären Rahmen bietet, ist das Konzerterlebnis perfekt. An diesem Abend ist nach dem Konzert natürlich noch nicht Feierabend, denn es wird noch zum Tanzen bis in die frühen Morgenstunden geladen, für mich und meine Begleiter steht allerdings jetzt der Heimweg an und so geht ein tolles Konzerterlebnis zu Ende, das keine Wünsche offen gelassen hat.

Behaltet das Tor 3 unbedingt im Auge, denn hier werden auch in Zukunft diverse hochkarätige Konzerte in einem sehr persönlichen und angenehmen Rahmen stattfinden. Mein Dank geht an dieser Stelle noch Tina vom Kulturtor Goslar. Bis hoffentlich bald mal wieder! (michi)
www.tor3-harz.dewww.myspace.com/funkbereitwww.welle-erdball.de



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