LACRIMOSA "Lichtgestalt" (Klassik/Melodram Metal)
(Hall of Sermon)

Mal im Ernst, wer hätte Tilo eine derartige Karriere zugetraut? Gleich zu Beginn schien er am eigenen Anspruch zu scheitern und als klassische Kopie der despektierlich "Neue deutsche Todeskunst" genannten Musik ins Geschichtsbuch der schwarzen Szene einzugehen. Schritt für Schritt hat er sich aber den Respekt aller erarbeitet und steht mit seiner Musik heute fast allein auf einem Thron. Wie viele junge Bands haben in der Vergangenheit versucht, Tilo nachzueifern? Tilo ist heute Hauptteil dieses Geschichtsbuches und er darf auch noch das Vorwort schreiben.

Sein aktuelles Album als Bestes zu bezeichnen, würde die grandiosen Vorgänger herabwerten, so ist es eher ein gelungenes Werk, welches sich perfekt in die Veröffentlichungsreihe eingliedert. Nichts destro trotz befindet sich mit dem Titelstück (erinnert ein wenig an "stolzes Herz") ein Song auf dem Album, welcher zu den herausragenden Titeln von Tilo zählen dürfte. Ruhe und Sturm geben sich die Hand. Erhaben die klassische Instrumentierung in den Strophen, gewaltig das metallische Intermezzo im Refrain und dann wird das Ganze noch recht eingängig inszeniert. Wesentlich getragener kommt "Nachtschatten" daher, theatralisch mit dezentem Trauerflor glänzt die Musik, während Tilo einen Erzähler mimt, der sehr realistische Beschreibungen in die ansonsten übliche Gedichtform einfliessen lässt. Geschickt der Songaufbau, der puristische Beginn und das bombastische Ende. Während viele Bands, die heutige Technik nutzen und Violine, Oboe und der Gleichen einfach per Keyboard erzeugen, benutzt Lacrimosa diese Instrumente, was dem Ganzen eine melodramatische Frische verleiht. Die Traurigkeit der Oboe, die Eleganz der Violine, die Verspieltheit der Klarinette, alles authentische Mahnmale einer beeindruckenden Musik, bzw. eines beeindruckendes Songwritings. Sicherlich tue ich mich ein bisschen schwer bei seiner missionarischen Tätigkeit für den Glauben in Interviews, aber das steht auf einem anderen Blatt, auf dem Album beschäftigt er sich mit der Liebe als höchstes Gut und das verstehen auch Atheisten. In diesem Kontext würde ich das "Hohelied der Liebe" eher als mutig als missionarisch betrachten. Hier vertont Tilo über 14 Minuten das 13 Kapitel des 1.Korinther aus der Bibel. Erstmals singt Tilo einen nicht von ihm geschriebenen Text. Leicht sakral und sehr dezent untermalt schleicht sich der Song in die Gehörgänge (übrigens teilweise vom Victor Smolski Symphonic Orchestra vertont). Die Schwermut wird besonders in den eindringlichen Chorälen untermalt. Ein Album, welches durch seine erhabenen Atmosphäre überzeugt, welches aber auch durch den Aspekt des Glaubens die Szene spalten wird. (andreas)


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