TIMEMAGE "Nightmares" (Dark Prog Metal) (Eigenproduktion) Wenn ihr denkt, Musik und Idealismus als Verbindung hätte sich mit dem Jahrtausendwechsel endgültig verabschiedet, dann hab ich hier was für euch. Es gibt ja immer diese Beipackzettel, selten war ich aber derart gerührt wie in diesem Fall. Meistens sind diese Infos für Rezensenten ja voll mit Worten wie 'innovativ', 'bestes Album seit Erfindung der CD' usw.; hier regiert allein die Liebe zur Musik. Und dann listet dieses Beiblatt auch noch in alphabetischer Reihenfolge Bands auf, die Einfluss auf die Musik von Timemage hatten. Keine dieser Bands werde ich hier erwähnen, da mir die Musik viel zu eigenständig und viel zu authentisch ist. Klar, dass diese Band schwer in Schubladen einordbar ist. Jegliche Facette des Metals wird in melodischer Vehemenz getragen. Egal ob man düster, deathig oder progrockig agiert, bestechend ist die Leichtgängigkeit und selbst jazzige Attacken werden wie selbstverständlich in die Songs integriert. Eine sanftmütige Ballade introiert das Werk, welches von pianoesken Keys und weiblich/männlichem Duett getragen wird. Und typisch für die Band, selbst in dieser kurzen Spielzeit gelingt ihnen der Stil-und Tempowechsel. Danach feuert man dem Hörer eine Orgie um die Ohren, welche den weiblichen Gesang in Dark Wave Bereiche entführt, den männlichen Gesang growlig und gewaltig die brachialen Saiten unterstützen lässt. Zwischendurch werden Klassik-orientierte Zwischenspiele eingeblendet und der Refrain ist von einer druckvollen Elegie geprägt, die sich betörend in die Gehörgänge schleicht. Eine Spur Geschwindigkeit legt man beim energischen "duality of mind" an den Tag. Egal wie exzessiv das Saitenspiel auch agiert, egal wie viel Aggression in den Gesang integriert wird, es gelingt erneut, den Ohrwurm zu implantieren. Der Refrain ist schon genial, aber das Zwischenspiel mit Keyboard hat Qualität, wie man sie eigentlich nur in einem professionellen Studio erzeugen kann. Jetzt kommt der Clou: Das gesamte Werk wurde im heimischen Schlafzimmer eingespielt. Wer hier in der heimischen Wohnung andere Spielchen betreibt und dabei seinen Einfallsreichtum nicht einem schnellen Erfolg opfert, wird den Abwechslungsreichtum der Band verstehen, mal romantisch, mal heftig, mal verträumt, mal brachial und selbst die unweigerliche Pause zum Steigenlassen gibt es in Form der vertrackten Jazz-Jam-Session während "Utopian wilderness" (jegliche Vergleiche mit eurem Sexleben und euren Wünschen existieren anhand des Titels nur in eurer Phantasie). Bei "Nights in Insuma" lässt Stefan seine tiefste Growl Stimme hervorkommen, was diesem Song nicht nur Finsternis verleiht, sondern trotz der Melodie bedrückt. Das psychotische, eingestreute Lächeln verstärkt diese Atmosphäre. Das instrumentale "Fading away" ist von tiefer Trauer geprägt, die Tastenvariationen steigen dort ein, wo die EKG Linie zum geraden Strich wird. Es gibt Songs, die brauchen keinen Text. "Born to be" ist der perfekte Nachfolgesong und Sänger Stefan versteht es erneut, jede Strophe mit einer anderen Stimmvariation zu begleiten bzw. zu intonieren. "When the last dream dies" wird unheimlich gefühlvoll dargeboten und besticht mit einer Hookline, wofür einige bekannte Bands sterben würden. Wahrscheinlich subjektiv, aber wie sich der Song in meinem Ohr breit macht, die hymnenhafte Betörung im Refrain, der leicht folkige Touch, für mich das Highlight von "Nightmares". Obwohl die Melange aus Heftigkeit und verwegener Romantik in "Succubus" könnte auch das Highlight, und auch die ganzen Songs davor............ Lassen wir das. Um gute Musik zu machen, braucht es nicht viel. Viel braucht es nur, wenn schlechte Musik gut klingen soll. Bevor wir zum Ende kommen noch der Hinweis, das Album legt mit den letzten Stücken eine gehörige Schippe Aggression drauf. Knüppelattacken werden mit wildem Gesang begleitet und irgendwie hat man das Gefühl, dass das Schlafzimmer zum Schluß in seine Einzelteile zerlegt wird. Egal, aufräumen muß mal sein und in die Leere der Zerstörung haut man das gefühlvolle "believe". Kurz zweimal ausgetobt, Zimmer verwüstet und mit den Augen eines Kindes sagen: Ich bin's nicht gewesen. Jetzt kommt der Clou Nr. 2: Dieses geniale Album gibt es für ganze 5 Euro über die Homepage. Und nicht als gebranntes Objekt im belanglosem Pappcover, sondern als wunderschön aufgemachte CD mit reichhaltigem Booklet. Diese Band verkauft sich weit unter Wert, aber wahrscheinlich ist es dies, was die Band unter "true" im Sinne von authentisch versteht. Info: www.timemage.de (andreas) |