11. Wave-Gotik-Treffen Pfingsten 2002 in Leipzig


Zusammenfassender Abschlußbericht von Andreas
Wave Gotik Treffen zum 11. und erneut war ganz Leipzig in schwarz gekleidet, außer die Einwohner und 100.000 Besucher des Sportfestes. Zumindest von einem Sportler weiß ich, dass er sich mehr bei Konzerten aufgehalten hat, als bei den sportlichen Veranstaltungen. Teilweise glich das Durcheinander am Leipziger Hauptbahnhof einer modernen Völkerwanderung, und zwar am gesamten Wochenende. Die Parade am Samstag Nachmittag hatte zu folge, dass ich geschlagene 110 Minuten brauchte um vom Agra zum Haus Auensee zu gelangen. Beim letzteren fange ich auch gleich mit der Kritik an. Die Preise in diesem runtergekommenen Nobelschuppen spotteten jeder Beschreibung. 3 Euro für ein Bier. Das war um mal unsere alte Währung zu bemühen (dadurch wird der Unterschied noch extremer) fast 1.40 DM mehr als am Agra Gelände. Die Verköstigung an fast allen Orten war ebenfalls unter aller Sau. Wer einmal den Nudeltopf probierte, weiß erst wie schwer es ein heutiger Magen hat, nicht Nitrofen wird unsere Gesellschaft dahinraffen, sondern geldgierige Panscher. Wahrscheinlich hat Magen (Gifte!) aber die Arbeit gleich zur Reinigung an die Leber weitergereicht, als ob sie nicht genug mit der Flüssigkeits-Verarbeitung zu tun hätte. Den Fraß im Haus Leipzig erwähne ich erst gar nicht, verwunderlich, das er nicht in einem gemeinsamen Trog serviert wurde. Wie immer bietet in kulinarischer und preislicher Weise die Moritzbastei eine Ausnahme. Zusätzlich hatte dieser Veranstaltungsort auch noch das Privileg die besten DJs zu beherbergen, denn gerade im Agra 4.3 wurde den Ohren doch einiges abverlangt. Positiv muß, darf man den reibungslosen Ablauf des Festivals bezeichnen, kaum Verzögerungen und kaum kurzfristige Absagen. Die zwei Absagen, von denen ich weiß, waren dann allerdings für mich erheblich (Alien Sex Fiend und Lords of the New Church). Und wohl zum erstenmal in der Geschichte kann man nicht von einem komplett friedlichen Festival berichten. Es sollen (ich wähle bewusst dieses Wort, da ich nicht dabei war und dieses nur von dritten oder vierten erfahren habe) gewaltätige Übergriffe auf Besucher von Neo Folk Konzerten stattgefunden haben. Von mir dazu nur soviel. Gewalt hat ebenso wie rechtes Gedankengut auf diesem Festival nichts zu suchen und sollte auch nichts finden. Kommen wir nun zum erfreulichen Teil des Leipziger Pfingstfestes, die Konzerte. Gerade die kleineren Bands scheinen beim WGT alles aus sich heraus zu holen. Wer z.B. ASP im Haus Auensee sah, weiß wovon ich rede. Auf einige Gruppen/Konzerte werde ich folgend näher eingehen. Und bei aller Nörgelei, welche dazu dienen soll, den Geschäftemachern keinen Fußbreit zu überlassen, ein Kompliment an den Veranstalter. Wer es schafft ein derartiges Festival zu einem gelungenen Event werden zu lassen, der hat ein Lob verdient. Das WGT ist und bleibt einzigartig in der Welt.

Agra Halle, Sonntag Abend
Erste Band, welche ich nach meiner kurzen Reise zu Cassandra Complex sah, waren 18 SUMMER. Die Ex-Bischoff hatten vonBeginn an mit der Technik zu kämpfen. So kann man allerdings auch seine eigenen Live-unzulänglichkeiten überspielen. Denn die Band um Felix Flaucher präsentierte sich nicht von seiner besten Seite. Und ob die verstimmte Gitarre, welche nach einer Stimmorgie noch seltsamer klang mit der Technik zu tun hat?? So bekam man zu Beginn des Auftritts meist die Akustik Versionen der Stücke dargeboten, immer von Entschudigungen und schlechten Witz begleitet. Die Setlist war eigentlich gut gewählt und beherbergte sowohl die alten Klassiker als auch die Songs der aktuellen CD, trotzdem sollte der Kritiker hier schweigen, da Dieter Degowski fluchtartig sein Gefängnis verlies.

Dann betraten die Helden der 80er-Post-Sisters/Joy Division/Bauhaus Ära die Bühne. Leider ist nach dem Ausstieg von Craig Adams nur noch Wayne am Mikro übrig geblieben. Zwar war Craig der am letzten austauschbare Mitstreiter von The Mission, allerdings ist Wayne Hussay "THE MISSION";, und ich werde bis zu meinem Tode nie vergessen, was ich fühlte als ich zum ersten Mal die "gods own medicine"; in meine Gehörgänge fließen ließ. "Beyond the Pale"; und hands across the Ocean"; ließen gleich zu Beginn den Vorgänger als arme Musikanten erscheinen. Schwungvoll mit einer Energie blies uns die Band alte Klassiker und neue Songs ihres aktuellen Albums um die Ohren. Das im alten Sound präsentierte "Severina"; oder getragene "garden of delight"; vermischten sich geschickt mit dem alten, neuen Sound in Form von "Evangeline";. Noch atmosphärischer als auf ihrer Deutschland Tour wurde "swoon"; in ein samtenes Gewand gepackt. Mit "1969"; von den Stooges erzeugten sie eine vibrierende Masse, welche vorher noch bei "Tower of strength"; vergeblich gversuchte, eine Pyramide zu bauen. Der Schlusssong "Deliverance"; wurde nicht nur von tausenden Kehlen begleitet, er war auch zwischen den Zugaben und nach dem Konzert die Hymne der Besucher. Wayne ließ es sich auch heuer nicht nehmen einen kleinen Seitenhieb auf die Gothic Szene zu intonieren, wie damals auf dem Zillo Festival. Die Bands, welche vorher auftraten bezeichnete er als Mist, gemeint hatte er Müll. Und mit einem Song wie "butterfly on the wheel"; bewies die Band ihr Geschick, die härteren Gitarren in ein melancholischen Refrain gipfeln zu lassen. Und wahrscheinlich darf nur ein Musiker wie Wayne sich derart abfäälig über die Vorgänger äußern. Eigene Qualität ist das beste Argument um Kritik zu üben.

Oswald Henke ist viel zu brav um derartige Querelen zu erzeugen. Dafür ist er ein begnadeter Geschichten Erzähler und ein großartiger Texter. Was Oswald und seine Mitstreiter von "Goethes Erben"; an diesem Abend ablieferten mutierte ohne Umschweife zum Höhepunkt des Festivals. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit einem Best Off Konzert. Getragen von einer wundervollen Atmosphäre lief Oswald samt seinen Musikern zu Höchstform auf. Nach zwei neueren Stücken ließ Herr Henke die Katze aus dem Sack und kündigte in einer als Dankesrede An die Fans erscheinende Ansprache an, dass man " die Tür in die Vergangenheit"; weit aufstoßen werde. Nichts anderes taten die Erben, begleitet von einem harmonischen Lichtspiel gab es Songs, welche lange nicht mehr das Ohr eine Konzertbesuchers erfreuten. Das abgedrehte, oft falsch verstandene "Iphigenie"; wurde ebenso dargeboten wie das energische "Die Brut";. Oswald ließ es sich natürlich nicht nehmen seine Songs mit intensiven Erklärungen einzuleiten. Romantisch und verspielt wirkte man bei "Märchenprinzen";, welches vom hervorragenden Keyboard getragen wird. "Zinnsoldaten"; machte nicht nur wegen der Einleitung nachdenklich.. "der Weg"; wurde perfekt inszeniert. Oswald verzichtete auf theatralische Augenblicke und ließ des öfteren sein gesprochenes Wort über allem anderen thronen. Zwischen den sehr getragenen, tiefdüstreren Tracks munterte er die Leute mit Songs wie "Marionetten"; auf. Dieses mit einer eingängigen Melodie versehene Stück, lässt uns in etwa die Gedankenwelt eine O. Henkes erahnen. Auch wenn ihre Musik total verschieden ist, nenne ich "Goethes Erben";/Oswald Henke in einem Atemzug mit Blixa Bargeld und Rio Reiser. Der gut gewählte Schlusssong zur unchristlichen Zeit " Mensch sein"; wurde nicht nur melancholisch untermalt, es wurde auch mit einer gefühlvollen Stimme dargeboten, dass einem die Worte noch Stunden später durchs Gehirn wanderten. Ein Auftritt den man nie vergisst, genauso wenig wie die zahlreichen zuvor.


Cassandra Complex "Haus Leipzig" am Sonntag
Das Haus Leipzig sorgte schon im letzten Jahr für reichlich Gesprächsstoff, wurde einem am Eingang doch wirklich alles, angefangen vom Milchbrötchen bis zum Regenschirm abgenommen. Wohlwissend hatten wir weder das Eine noch das Andere dabei. Die Luft im reichlich überfüllten Laden könnte man als "zum Schneiden" bezeichnen, allerdings wer hat derart große Scheren. Das Ende von Dance or die und die aufgebrauste Stimmung bekamen wir noch mit, als wir uns erst mal mit einem verderblichen Fraß den Magen ruinierten. Vereinzelte Salmonellen trafen sich am Büffet zu einer großen Party.
Aber egal, das folgende Konzert von CASSANDRA COMPLEX entschädigte für vieles. Der seit Jahren typische Beginn mit "nightfall" ließ die ersten Reihen bereits beben. Doch das war Rodney zu wenig. Immer stachelte das Publikum zu Höchstleistungen an, notfalls mit gewagten Sprüngen in die Menge. Spätestens bei "Moscow Idaho" kannte die Begeisterung keine Grenzen. Rodney tobte ausgiebig auf und vor der Bühne und die Fans verwickelten sich in straightes Pogen. "What can i do" oder "lost and living" wurden mit druckvollen Passagen versehen. Das elegische, teils fast zu ruhige "God John‰ explodierte fast im Verlauf der Darbietung. Rodney spornte immer wieder die Besucher an, alles zu geben. Die schwüle Luft wurde nicht nur angesichts des Nebels immer dichter. Immer wieder wechselte die Band zwischen alten Klassikern und 90er Cassandra. Neben Mitgliedern von Girls under Glass sorgte auch Miny Kumbanek (Goethes Erben) an den Keys fürs Gelingen des Konzertes. Sie unterstützte das straighte Gitarrenspiel mit atmosphärischer Eleganz und Rodney sorgte mit seinem druckvollen Vocals für die nötige Aggressivität. Die nachfolgenden Holländer von ANGELS AND AGONY hielten den Saal zwar am Kochen, konnten mich aber nicht annähernd derart fesseln.


Haus Auensee Samstag
Die gesamte Innenstadt glich am Samstag Nachmittag einem Ameisenhaufen, leider nicht halb so durchorganisiert. Daher war die Busfahrt auch ein wenig länger als geplant. So bekam ich nur die Hälfte des Auftrittes von IMPRESSION OF WINTER mit. Mittelalterlicher, getragener Rock mit kleinen elektronischen Versatzstücken bekamen meine Lauscher zu Hören. Melancholischer Wechselgesang, eine Leinwand im Hintergrund und dezentes Lichtspiel trugen zur dunklen Atmosphäre bei. Ganz anders bei den alten Helden um Sänger Thomas Elbern von ESCAPE WITH ROMEO. Nach kurzem Intro betrat die Combo mit "Black River" die Bühne und eröffnete das Programm, welches aus alten Klassikern und Stücken von der neuen CD "Love Alchemy" stammten. Wie bei fast allen Auftritten gibt es immer wieder neue Versionen von "White room" oder "Somebody" zu hören. Letzterer erklang erst akustisch und wurde im weiteren Verlauf mit 80er Pop Charme dargeboten. Auch bei Auftritten von 45 Minuten lässt es sich die Band nicht nehmen, hier die Maxi Versionen zu spielen. So besetzen diese beiden Songs schon einen großen Teil des Sets. Etwas rockiger wurde der Auftritt mit dem The Sound Cover "skeletons", der sich nahtlos in den Sound der Band einfügte. Wie übrigens auch die neuen Songs, welche ebenso gut von den ersten beiden Alben sein könnten. Thomas Elbern ist eher ein ruhiger Vertreter seiner Zunft und lässt fast allein seine Stimme wirken. Eine Spur heftiger wurde es mit dem Auftritt von ASP, diese Band schaffte es in kürzester Zeit den Saal in ein brodelndes Tollhaus zu verwandeln, besonders das poppig, schräge "sing Child" wurde begeistert abgefeiert. Auch der Titelsong des neuen Werkes "Schwarzer Schmetterling" ließ die Menge nicht still halten. Kurze aber prägnante Ansagen von Sänger sorgten immer wieder für Erheiterung. Bei schnelleren Songs tanzte er wie ein Irrwisch über die Bühne und verausgabte sich ebenso wie das Publikum. Danach kehrte wieder tiefe Ruhe ein. ILLUMINATE betraten die Bühne und das Publikum teilte sich in zwei Hälften. Sänger Thomas Berthold hatte nach dem energischen Auftritt von ASP ein schweres Amt übernommen und erst nach einiger Zeit konnte er mit seinen emotionalen Songs Zugang zum Publikum gewinnen. "Ein neuer Tag" oder das alte "der Torweg" überzeugten dann durch ihre schwermütige Atmosphäre. Danach war es Zeit für die Holländer von CLAN OF XYMOX, wie oft ich sie in den letzten Jahren Live sah, kann ich kaum sagen, aber die Songs und auch die Setlist scheinen sich zu wiederholen. Leider auch das Gefühl, das die Band recht Lustlos ihre Klassiker runterspielt. Wenn andere Bands die gesamte Bühnenbreite benötigen, reicht Xymox einen Bierdeckel. Zwar haben Songs wie "Louise" oder "A Day" in fast 20 Jahren nichts von ihren Reiz verloren, allerdings ist die Darbietung vollkommen reizlos. Zu guter Letzt gab es noch amerikanischen Goth Rock mit einer charismatischen Sängerin von DIVA DESTRUCTION zu hören. Ich musste hier meine Zelte abbrechen und zur AGRA wo Soft Cell ihre Zelte aufbauten.


Werk 2 Montag
Das Festival neigte sich seinem Ende, aber eine andere Geschichte nahm seinen Anfang. Die neue Band ZERAPHINE mit den Ex Dreadful Shadows Mitgliedern Sven Friedrich und Norman Selbig hatte ihr Live Debüt. Trotz aller Erfahrung war Sven das Lampenfieber deutlich anzuerkennen. Kleine technische Probleme zu Beginn trugen auch nicht gerade zur Beruhigung bei. Neben einem Depeche Mode Cover wurden ausschließlich Songs des aktuellen, deutschsprachigen Albums "Kalte Sonne" intoniert. Deren Titelsong diente auch als Einleitung in ein dunkles Konzerterlebnis, welches durch fast depressive Stimmung glänzte. Auch wenn es mal rockiger zuging, entließ einem nicht das Gefühl der Bedrückung anhand der verzweifelten Texte. Svens dunkle Stimmbänder wechselten zwischen Verzweiflung und hoffnungsloser Resignation. Das folgende "die Dunkelheit" ist ein Paradebeispiel für düsteren Rock mit pathetischen Texten. Nach dem mit kleinen elektronischen Spielereien versehenen "unter Eis" folgte mit "Sterne sehen" für mich der Höhepunkt. Der ergreifende Refrain in Verbindung mit Svens hingebungsvollen Gesang sorgte nicht nur bei mir für Gänsehaut. Etwas heftiger wurde es bei "Laß mich gehen", bei dem die Titelzeile förmlich heraus geschrien wurde. Danach beherrschte eine traurige Eleganz bei "ohne dich" die Szenerie. Wenn auch noch nicht alles perfekt lief, die Dreadful Shadows haben einen würdigen Nachfolger.


Fortsetzung folgt