XANDRIA "Ravenheart" (Female Goth Metal)
(Drakkar/BMG)

Selten gab es in der letzten Zeit ein Werk, welches derart eng zwischen Verriss und genialer Kritik einem Ritt auf der Rasierklinge glich. Es ist ein absolut geniales Album voller hymnischer Melodielinien. Aber der Kitsch lauert hinter jeder Ecke. Xandria gleichen einem Surfer, der an der Ostsee jahrelang bei geringen Winden probte (u.a. als Vorgruppe von Reptyle) und plötzlich in Hawaii die größte Welle eines Jahrzehnts mit Geschick meistert. Von null auf hundert in ca. 18 Monaten.

Aber Xandria könnte auch ein Meisterwerk der Formung sein, angefangen beim computeranimierten, etwas kitschigen Cover Foto über ein wohl zu teures Video ("Ravenheart") und eine bestechende (wenn auch etwas aalglatte) Produktion bis hin zu einem Sound, der in der vergangen Zeit tröpfchenweise in das Reagenzglas-förmige Auffanggerät des geneigten Hörers von MTVIVA geträufelt wurde und nun den Eimer komplett über den verwirrten Gefangenen von verträumten, metallischen Tönen mit betörendem weiblichen Gesang ausschüttet. (bevor ich von irgendwelchen Seiten kritisiert werde, betone ich noch mal das Wörtchen "könnte" zu Beginn des Absatzes)

Fast sanftmütig führt die Band den Hörer in härtere Klangstrukturen. Das Eigenleben der Gitarren des Debüts ist die Geburtsstunde einer variabel gespielten Saitenorgie voller Gefühl. Die ruhigen bis balladesken Songs besitzen mehr als einen Hauch von der Heavenly Voices Bewegung zum Ende des vergangenen Jahrtausends. Atmosphärisch dicht inszeniert man verträumte Soundstrukturen, deren gefühlvolle Ausuferungen meist der romantischen Stimmbandvibration von Lisa zu verdanken sind.

Aber machen wir uns nichts vor, hier handelt sich um ein reines Pop Album, welches mit progressivem Gitarrensound eingängig dem Massengeschmack entgegensteuert. Gottseidank sind wir heute soweit, dieses zu genießen und nicht nach den Pappköpfen zu blicken, die es "auch" hören. Und im Endeffekt, was ist schlecht daran, sein Produkt perfekt zu vermarkten und von seiner Musik leben zu können?

Die aktuelle Single "Ravenheart" ist in der Grundstruktur lieblich balladesk, die hallenden Gesänge reiten auf einem Saitenriff voller Ideenreichtum.

"The Lioness" besitzt ein dezent arrangiertes Intro, bevor man sehr monumental zu Werke geht. Die Klassik wird ganz nebenbei als orchestrale Grundstruktur in den Gesamtsoundsound integriert. Geschickt gesetzte Tempiwechsel sorgen für ausgedehnte Spannungsbögen. Saiten und sphärische Keys tanzen eine einträchtige Harmonie voller bittersüßer Klänge.

Gehaucht mit erotischer Verruchtheit unterstützt Lisa brachiale Saitenattacken, die mit vehementen Schlagzeugattacken in eine exorbitante Rhythmik geführt werden in "back to the River". Die trockene Gangart der Gitarren wird durch die gefühlvoll vollendete Stimme ihrer harten Leder-Ummantelung beraubt.

Das Key als klassisches Klavier begleitet das dezent instrumentierte "eversleeping". Eine gefühlvolle Ruhe, ein Herbstabend mit Wein und Kerzen, kuscheln mit Musik. Hier schwebt die Musik auf einer sanften Wolke der Romantik, dessen geformte Regentropfen traurige Tränen eines durchdringenden Gesangs sind.

"Fire of the universe", ein Song auf dem sich Bass und Gitarre mal so richtig austoben können und auch mal ein wenig verwegen böse erklingen. Die leichtsongig inszenierte Boshaftigkeit wird durch dezente Grunts noch unterstützt, aber Lisa lässt die Lieblichkeit Stufe für Stufe den Thron besteigen. Und im Endeffekt stehen die Saiten Spalier.

Kennt ihr diese Songs, in dem ihr eure Hände in offenbarender Weise gen Bühne strecken möchtet? Nun, etwa derartig ist "some like it cold" gestrickt. Die heruntergefallen Maschen werden auf einem samtenen Teppich gesammelt und in einem finale furioso zu einer Einheit gehäkelt.

"Answer" schwebt. Härte, Melancholie und Gefühl tanzen Ringelrein und scheren sich ein Dreck um Klon-Versuche.

Mit den letzten fünf Songs lasse ich euch alleine und außerdem will ich das triefende Info-Blatt nicht übertreffen. www.xandria.de (andreas)