Kino der Gefühle

MYSTIGMA (Melancholic Dark Rock)
Torsten Bäumer (Vocals, Texte) - Jörg Bäumer (Gitarre, Keys, Songwriting) - Clemens Leugers (Gitarre) - Stephan Richter (Bass) - Jens Meier (Drums)

Das aktuelle "Mystigma" (zuvor Tears of Mystigma) besticht neben dunklen Melodielinien auch durch eine tiefgehende Melancholie. Wo andere Bands sich dem Metal hingeben, bleiben die Fünf den Wurzeln des Goth Rocks treu, was aber nicht heißen soll, dass man es nicht verstehen würde, die Stromgitarren straight über die sphärischen Soundstrukturen hinwegfegen zu lassen. Die westfälische Band hat sich gerade im Songwriting enorm weiterentwickelt und hinzu kommen die tiefgreifenden Texte, welche harmonisch mit warmer Stimme intoniert werden. Erste Vergleiche sind Paradise Lost oder Tiamat, sowie die Urväter Sisters of Mercy. Durch den Einsatz von elektronischen Facetten, deren Glanz vor allem in verqueren Intros gelagert ist, gibt es auch Parallelen zu den Dreadful Shadows. Fast sanftmütig legt sich ein Trauerflor über die Songs, aber es gelingt dabei, niemals in depressive Monotonie zu versinken. Ein Faible für leichtgängige Refrains verbindet sich mit durchdringender Elegie. Und der mutige Versuch in Deutsch zu singen, ist voll und ganz gelungen. Abseits jeglicher Klischees zieht die leicht trauernde Stimme von Torsten den Hörer in seinen Bann. Ich will ja nicht den Teufel an die Wand malen, aber leider belehrt uns die jüngste Vergangenheit eines Besseren, denn trotz jeglicher Qualität wird erneut eine geniale Band nicht den Zuspruch bekommen, welchen sie verdient. Ein Bild könnt ihr euch beim WGT oder "That Spring-Festival" in Magdeburg machen. Parfüm für Ohren und Laser gibt es beim Musikdealer eures Vertrauens oder bei www.tears-of-mystigma.de / www.mystigma.de. (andreas)


-> Review "Universal Surrender" lesen


Ihr habt euch in der Vergangenheit mit Tears of Mystigma bereits einen Namen gemacht, warum ist nun dieses "Tears of" weggefallen?
Dieser Gedanke "spukte" schon längerer Zeit in unseren Köpfen herum! Wir waren des "Tears of " einfach überdrüssig! Während der Aufnahmen zum neuen Album machte sich bei allen Beteiligten so ein Gefühl des Neuanfangs breit..
Da "Universal Surrender" dann durch die Einigung mit Equinoxe nun auch zu unserem Labeldebut wurde und wir auch sonst einige Dinge in unserem Umfeld umorganisiert haben, war es einfach an der Zeit diesen Schritt zu vollziehen. Abgesehen davon klingt "Mystigma" auch wie wir finden viel prägnanter und spiegelt unsere Musik und Emotionen ebenso gut wieder!


Euer in Eigenregie produziertes Album "Refflect Project: Colder Side" erhielt begeisternde Kritiken. Da werden die meisten schnell ein Album nachlegen. Bei euch hat es fast fünf Jahre gedauert. Warum die lange Zeit und was ist so alles in der jüngsten Vergangenheit passiert?
Ja, die Kritiken zu "Reflect Project" waren seinerzeit wirklich toll, damit hatten wir in der Form auch gar nicht so gerechnet! Wir wollten auch recht schnell ein Album nachlegen, von einer konkreten Labelofferte hatten wir dann aber doch Abstand genommen, so dass wir uns entschlossen, erstmal eine EP zu veröffentlichen, um einerseits weiter im Gespräch zu bleiben, aber auch um einen Labelpartner für ein ganzes Album zu gewinnen. Die Reaktionen auf die "Higher Circumstance" EP waren dann zwar auch gut, aber leider nicht so in dem Maße wie beim Album! Aber auch nach der EP standen wir in losem Kontakt mit einem Label, welches dann aber finanzielle Schwierigkeiten bekam, so dass wir mit dem Schreiben neuer Stücke begannen! Letztendlich haben wir, neben vereinzelten Live-Aktivitäten, fast das ganze letzte Jahr mit der Produktion des neuen Albums verbracht und uns dann Anfang diesen Jahres glücklicherweise mit Equinoxe Records geeinigt! Vielleicht wäre noch wichtig zu erwähnen, dass wir uns kurz vor Veröffentlichung der "Higher Circumstance"-EP 2002 von unserem alten Keyboarder getrennt haben!


Wo siehst du die Hauptunterschiede zum Erstling?
Das musikalische Spektrum ist wesentlich breiter geworden, alles klingt viel offener und lebendiger wie ich finde. Trotz der atmosphärischen Dichte und Geschlossenheit des neuen Albums kann jeder Song für sich selbst stehen und bestehen! Jedes Stück spiegelt seine eigene Emotion wieder, was bei "Reflect..." nicht unbedingt der Fall war. Letztendlich haben wir uns, glaube ich, auch in punkto Songwriting verbessert, was Du ja in Deinem Review auch schon angedeutet hast! Bliebe noch zu erwähnen, dass wir durch die Arbeit mit unserem Produzenten Pani auch produktionstechnisch zulegen konnten. Die Arbeit mit ihm hat uns sehr viel weiter gebracht!


Ihr habt nun endlich ein Label gefunden. Was gab den Ausschlag für Equinoxe und wie veränderte sich die Arbeit mit einem Label im Rücken?
Wir standen schon seit längerer Zeit in Kontakt mit den Jungs von Equinoxe und haben den Kontakt auch nie abreissen lassen! Zum Glück mochten sie dann das Album, so dass es für uns keine Frage war, auf ihre Offerte einzugehen. Wir halten Equinoxe für ein sehr faires und loyales Label. Mit der Zusammenarbeit sind wir bisher auch sehr zufrieden. Natürlich hat man mit einem Label im Rücken viel mehr Möglichkeiten, vor allem was die Promo und Öffentlichkeitsarbeit betrifft.


Songwriterisch arbeitest du wieder mit deinem Bruder zusammen. Wie würdest du diese Arbeit beurteilen. Ist sie immer so genau unterteilt (der eine Texte/ der andere die Musik) wie uns das Booklet berichtet oder gibt es Überschneidungen?
Im Großen und Ganzen ist es schon so genau unterteilt wie es das Booklet verrät, d.h. dass Jörg uns mit recht fertigen Songs konfrontiert, die er zuhause schreibt. Mein Part ist es dann, dazu einen Text und passende Gesangslinien zu schreiben, wobei Jörg auch hier oft schon gute Anregungen mitliefert. Das ist alles jedoch nicht so diktatorisch wie es vielleicht klingen mag, da jeder in der Band jederzeit zu den einzelnen Komponenten der Songs Ideen und Anregungen liefern kann. Das Songwriting läuft bei uns alles in allem recht harmonisch und unkompliziert ab!


Mit "Staub der Worte" gibt es erstmals einen deutschsprachigen Song. War von vornherein klar diesen Song in der Heimatsprache zu bringen? Gab es im Vorfeld Ängste, wie dieser Song aufgenommen wird? War er von Anfang an balladesk geplant?
Nein, das war keineswegs klar, dass der Song einen deutschen Text bekommen würde. Allerdings war uns bewußt, dass dieses Stück insgesamt doch etwas aus dem Rahmen fiel. Das hat sich während der Produktion dann immer weiter befestigt und bestätigt, so dass mir dann die Idee mit den Lyrics in Heimatsprache kam. Wir fanden, dass der deutsche Text gut zu der balladesken Atmosphäre des Stücks passt! So balladesk wie der Song geworden ist, war er von Anfang an nicht unbedingt geplant, das hat sich so entwickelt! Ängste wie der Song aufgenommen wird, empfinde ich nicht unbedingt, eher bin ich sehr gespannt auf die Reaktionen, die bisher glücklicherweise sehr positiv sind!


Erstmals arbeitet ihr hier auch mit weiblichem Gesang, kannst du etwas mehr über Victoria erzählen? Wie kam der Kontakt zu Stande?
Wir haben bei dem Stück "Something 12-styled" der "Higher..." EP mit Kristina bereits eine Gastsängerin gehabt, es ist also nicht das erste Mal, dass weibliche Vocals zum Einsatz kommen! Den Kontakt zu Victoria hat unser Produzent Pani hergestellt, da er der Meinung war, dass ihre Stimme noch besser zu unserer Musik passen würde, was sich ja dann auch bestätigt hat. Ansonsten kann ich Dir nicht so viel über Victoria erzählen, da ich sie nur kurz kennengelernt habe. Außer eben, dass sie auch noch Pianistin ist, über eine tolle Stimme und ein angenehmes Äußeres verfügt.



Damals hab ihr zum Song "Pale Reflection" ein Video gedreht, gibt es Überlegungen, dieses zu wiederholen, und welcher Song würde sich dafür eignen?
Das "Pale Reflection"-Video war ja in erster Linie ein Zusammenschnitt von Live-Sequenzen. Mich würde ein richtiger Video-Clip schon sehr reizen, aber das ist natürlich eine Frage des Budgets. Außerdem müßte gewährleistet sein, dass der Clip auch von den Musiksendern gespielt wird, aber dort lassen leider die großen Labels ihre Macht spielen. Ich bin mir nicht sicher, ob es Sinn macht, ein aufwendiges Video nur zu CD-ROM-Zwecken zu produzieren. Klar, eine guter Clip muß nicht unbedingt aufwendig produziert sein, mal schauen was die Zukunft so bringt...
Ich glaube, dass "Insomnia" oder "Staub der Worte" sich gut dafür eignen würden. Letzteres müßte aber erstmal auf Single bzw. Video-Edit geschnitten werden, ha,ha!


Sowohl textlich wie musikalisch besitzen die Songs eine tiefgreifende Melancholie. Kann man den Album Titel "universal surrender" als Konzept für das Werk betrachten?
Es handelt sich nicht um ein Konzeptalbum im herkömmlichen Sinne, da wie gesagt jeder Song textlich sowie musikalisch für sich steht! Jedoch fasst der Titel "Universal Surrender" alle Stücke gut zusammen. Es bot sich einfach an, ihn auch als Albumtitel zu wählen. Erst kürzlich habe ich von einem Journalisten eine sehr interessante Interpretation des Textes bekommen. Da sie mir sehr gefiel, war es glaube ich die richtige Entscheidung für einen Albumtitel. Auch harmoniert der Titel gut mit dem visuellem Konzept/sprich dem Booklet des Albums!


Ihr verwendet in euren Songs durchaus poppige Strukturen, welche sich in eindringlichen Refrains wiederspiegeln. Die Dunkelheit ist eher sanftmütig als depressiv. Ist es euer Anliegen, im Genre der düsteren Musik durchaus die "Schönheit" glänzen zu lassen?
Ja, das kann man so stehenlassen. Ich meine, diese Schönheit oder nennen wir es mal "angenehme Melancholie" ist nicht krampfhaft erzwungen, sondern sie ist plötzlich einfach da und sicherlich auch eines unserer Trademarks. Dennoch gibt auf dem Album auch aggressive Momente. Als Beispiel seih hier mal "I'm in hate" genannt.


In meiner Kritik hab ich geschrieben, dass auch jenseits des Zielpublikums ein offenes Ohr für diese Musik da sein müsste. Glaubt ihr, dass gerade in der heutigen Zeit (in Bezug auf Rezensenten/Fans) die Eingängigkeit eher ein Problem oder ein Segen ist?
Ich hoffe, dass sie in unserem Fall ein Segen ist, aber ich glaube zu wissen, was Du meinst. Es kann nicht unser Bestreben sein, es jedem Recht zu machen. Das ist sowieso unumgänglich. Es mag Puristen geben, die ein Problem mit der Eingängigkeit haben, aber das ist dann nicht unseres. Wir schreiben einfach die Stücke, so wie wir sie mögen und für gut halten, setzen uns aber mit diesen jederzeit auch selbstkritisch ausseinander


Würdest du den Titel "thoughts unspoken" eher untypisch im Bezug auf die Lyrik bezeichnen?
Nein, ich finde es ist ein typischer "Mystigma"-Text. Das eigentliche Thema hoffnungslos übertreibend und dramatisierend verbunden mit einem Schuss Zynismus und Ironie.


Passend zum Namen scheinen einige Songs mystifiziert zu sein. Ist euch die Interpretation des Hörers wichtiger als eine klare Sprache?
Mir persönlich ist die Interpretation des Hörers schon wichtig, das kann sehr spannend und interessant sein. Wenn jemand in einen Song etwas ganz anderes hineininterpretiert, als ursprünglich gemeint war, aber für sich dem etwas abgewinnen kann oder sich in irgendeiner Weise wiedererkennt, so kann dies doch nur positiv sein! Es gibt auf dem Album jedoch auch Songs, die eine eindeutige Sprache sprechen z.B. eben "I'm in hate" ,"Wrong with me (for a lifetime)" oder "Addiction", die wie ich finde nicht unbedingt mystifiziert sind.


Gerade im dunklen Bereich gibt es monatlich über 100 VÖ's, wie wichtig sind in diesem Bezug Präsentationen auf Festivals wie dem WGT?
Sehr wichtig, weil es einfach große und wichtige Szene-Events sind, wo man sicherlich eine Menge Leute erreichen und Kontakte knüpfen kann.


Im Info werden Vergleiche mit Paradise Lost oder Tiamat genannt. Könnt ihr mit diesen Vergleichen leben (auch im Bezug dazu, dass sich diese Bands sich etabliert haben und gerade Paradise Lost ihren Sound in den letzten Jahren sehr verändert haben)?
Vergleiche dienen ja in erster Linie dazu, dem geneigtem Hörer eine ungefähre Richtung einer Band vorzuzeichnen. Von daher halte ich sie für legitim. Mit den Vergleichen mit P.L. oder Tiamat können wir durchaus leben, da beide Bands den Goth-Metal oder Düsterrock wesentlich mitgeprägt haben. Ich mag beide Bands und wir verwenden sicherlich hier und da ähnliche Stilmittel bzw. verarbeiten vergleichbare Stimmungen und Emotionen. Dennoch glaube ich, dass wir uns über die Jahre unsere eigene Identität erarbeitet haben!


Wenn man das fertige Album zum ersten Mal hört, welche spontanen Gedanken schossen dir durch den Kopf? Gibt es DEN Song, welchen du als Mittelpunkt des Albums betrachten würdest?
Man erinnert sich im positiven Sinne an die harte Arbeit und ist einfach stolz, wenn man das fertige Album dann in den Händen hält und hört! Meine Lieblingssongs wechseln von Zeit zu Zeit und ich glaube, das ist ein gutes Zeichen!


Wo liegen eure Ziele, eure Wünsche für die Zukunft, was darf der Fan live erwarten?
Natürlich hoffen wir, dass das Album positiv aufgenommen wird und uns weiterbringt. Daraus schöpft man ja auch nicht unwesentlich Kraft und Energie für das nächste Projekt. Live ist auf jeden Fall ein Großteil der Songs des neuen Albums zu erwarten, und wir werden einfach versuchen, die Emotionen der Stücke auch auf der Bühne ansprechend zu präsentieren. Entsprechendes Licht und ein passendes Outfit sollen uns dabei unterstützen. Neben Einzelgigs und Festival-Auftritten wäre sicherlich auch eine Tour für uns interessant, mal schauen was sich da in Zukunft ergibt. Kontinuierlich live präsent zu sein, ist sicherlich sehr wichtig, auch hinsichtlich der Promo für das neue Album. Nebenbei arbeiten wir aber natürlich auch schon an neuen Stücken für den "Universal Surrender"-Nachfolger.


Wie würdest du ein Bewerbungsschreiben für die Musiksender formulieren, um deine Musik zu beschreiben?
Ich glaube, der Infotext unseres Labels ist da schon sehr passend: "Welch schöneren Zweck könnte Musik erfüllen, als im Inneren eines Menschen ein Gefühl zu erwecken, das ihm vertraut, wenn auch vielleicht unerklärlich ist? Eine tiefe Sehnsucht etwa, eine Ahnung der Melancholie.
...ein musikalisches Kino der Gefühle, zwischen dramatischer Spannung und intimer Verletzbarkeit."


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