Tanzende Verzweiflung

REBENTISCH (Dark Wave Pop)

Nach zahlreichen Eigenproduktionen veröffentlicht Sven Rebentisch mit dem Album "Weltschmerz" sein Labeldebüt. Dabei greift der Neuberliner auf vorhandenes Songmaterial zurück und kleidet die Stücke in ein modernes, tanzbares Gewand. Auch produktionstechnisch fährt er auf einem höheren Niveau und selbst an den Texten hat er noch mal die Feder angelegt. Das gesungene Wort bleibt natürlich bedrückend, ergeht sich aber voller ehrlicher Gefühlswelten. Einsamkeit, Verlust, Trauer wird mit einer bildgewaltigen Sprache dargeboten, welche herrlich unpathetisch den Hörer zum Nachdenken anregt. Für "Kindertotenlied" greift Sven auch mal auf ein altes Gedicht von Friedrich Rückert (1788-1866) zurück. www.rebentisch.de (andreas)


-> Review "Weltschmerz" lesen


Hi Sven, wie geht's, gut ins neue Jahr gekommen?
Hi Andreas,
ich muss zugeben, es gab schon bessere Sylvesterabende...
Nach der diesjährigen Pleite hab ich mir geschworen, in Zukunft die Sache wieder selbst in die Hand zu nehmen und möchte dann selber anständige Sylvesterpartys veranstalten, mit einigen Freunden ganz privat.


Im letzten AMBOSS interview warst du noch auf der intensiven Suche nach einem Label. Diese Suche ist mit dem Finden des Gruftie-Ton Labels (www.gruftie-ton.de) nun beendet. Kannst du uns ein wenig über dieses neue Label erzählen?
Das Berliner Label Gruftie-Ton hat ein guter Freund im Sommer 2005 gegründet. Sein bzw. unser Ziel ist es, meine Musik in die richtigen Gehörgänge zu transportieren und die Musik einer breiteren Masse zugänglich zu machen.


Was hat es damit auf sich, dass Coverbild und Banner des Labels identisch sind?
Gruftie-Ton hat ein passendes Logo für sich gesucht. Nachdem sich das Label dafür entschied, nur ein Projekt, also Rebentisch unter Vertrag zu nehmen, kamen wir gemeinsam auf die Idee, mein Rebentisch-Logo auch für Gruftie-Ton mit zu benutzen.


Das aktuelle Album beherbergt zum größten Teil Neuaufnahmen bereits veröffentlichter Songs. Was war die Intention, diese Stücke neu zu vertonen. Und was kannst du über Ziele und die Wege dorthin erzählen?
Der Plattenvertrag und die damit verbundene erste offizielle CD-Veröffentlichung waren für mich ein großer Ansporn, mich mit meinen Songs nochmal neu auseinander zu setzen. Ich war unzufrieden mit dem älteren Songmaterial, was für mich mittlerweile Demomaterial darstellt. Ich habe mich weiterentwickelt und mir bedeutet es viel, das auch auf meinem Debütalbum zeigen zu können.
Ich habe seit Beginn meiner Musikveröffentlichungen schnell zu spüren bekommen, je unprofessioneller die Aufnahmen sind, umso weniger setzen sich die Hörer damit auseinander! Sicherlich werde ich die meisten meiner älteren Songs neu aufnehmen und offiziell veröffentlichen! Mein Ziel war außerdem, meinen Hörern und mir anständige Aufnahmen zu bieten.


Wie würdest du die Veränderung der Songs beschreiben?
Die neuen Songs spiegeln mich noch eher wieder! Sie sind lebendiger und vielleicht auch widersprüchlicher geworden. Außerdem sind sie unter reflektierteren Bedingungen neu entstanden, was man an einigen für mich wichtigen Textänderungen merken kann. Die Songs sind reifer und authentischer geworden.


Nicht immer finde ich die neuen Versionen besser. Das Original von "Vaterliebe" hat für mich mehr Intensität, dagegen ist "Verstoßen" perfekt gelungen. Wie sind ansonsten die Reaktionen ausgefallen, was sagt Andrea zum "neuen" Vaterliebe?
Ich danke Dir, für das Kompliment und die Kritik. Ich gebe zu, dass mir am wichtigsten war, dass ich mit den Songs zufrieden bin. Trotz der Gefahr, andere Hörer vielleicht vor den Kopf zu stoßen. Die bisherigen Reaktionen zum Album sind sehr zustimmend und bestätigen meine Weiterenticklung und meinen Weg.
Andrea mochte die alte Version von "Vaterliebe" nicht sonderlich, mein Album "Weltschmerz", inklusive der Neuaufnahme des Songs, gefällt ihr so gut, dass ich bereits neue Texte von Ihr entgegengenommen habe und Andrea nochmal versicherte, dass sie weiterhin am Schreiben für REBENTISCH interessiert ist. Es gibt einige Hörer, die finden ältere Versionen von mir besser und andere wiederum erfreuen sich am neuen Sound.


In diesem Kontext gleich die nächste Frage: Warum hast du diesmal Texterin Andrea Döring ("Vaterliebe", "Keine Zukunft") im Booklet unterschlagen?
Es war Andrea's Wunsch, sie nicht mehr in der Öffentlichkeit zu nennen und das aus sehr guten persönlichen Gründen. Meine Rücksicht darauf kam allerdings zu spät, denn ihre Befürchtungen in Verbindung mit den Textveröffentlichungen, sind leider alle eingetreten! Aber es ist jetzt für sie in Ordnung, da Andrea jetzt mit der daraus entstandenen Situation gut klar kommt und sie wieder offiziell als Mittexterin dabei ist. Sowas kann ja auch keiner wissen, was hinter den Kulissen abgeht und wovor man sich manchmal in acht nehmen muss, weil die Wahrheit ans Licht gebracht wird.


Würdest du mir zustimmen, wenn ich sage, Songs wie "Vaterliebe" oder "keine Zukunft" sind moderner und auch tanzbarer geworden?
Das will ich doch wohl hoffen ; )
Ich tanze gerne und möchte auch andere Menschen zum tanzen bewegen können. Ich finde aber noch ganz andere Tanzknaller auf dem Silberling, wie wäre es mit "Kindertotenlied" oder "Durch Dich"...
Es freut mich ja auch sehr, wenn ich ein Konzert spiele und das Publikum tanzt und nimmt dadurch die Musik auch körperlich auf.


"Keine Zukunft" wurde im Vorfeld ja schon auf einem Sampler veröffentlicht. Ich hab damals den Vergleich mit "Die Ärzte" benutzt. Warst du geschockt? Denn im Endeffekt ist deine Musik ja ein Gegenpol zur "Spaßgesellschaft".
Ich war nicht geschockt, im Gegenteil! Ein Newcomer, der mit einer so erfolgreichen und abwechslungsreichen Band wie "Die Ärzte" verglichen wird, kann wohl zufrieden sein und sollte nicht die Dreistigkeit besitzen, sich geschockt und zickig zu verhalten, nur weil der Bandvergleich eventuell nicht den aufgebauten Klischees einiger Leutchen entspricht. Eine meiner Leidenschaften ist es eh, Klischees zu brechen! Von daher tat mir der Vergleich nur gut! Du warst übrigens nicht der Einzige, der den Vergleich herstellte, es gab zum selben Titel schonmal den "Ärzte"-Vergleich.


Der Song "Vaterliebe" taucht auf fast allen CD's auf. Welche persönliche Beziehung hast du zu dem Text? Würdest du in diesem Zusammenhang davon sprechen, dass zumindest eins der zehn Gebote nicht zu verallgemeinern ist?
In meiner bisherigen Biographie sind mir selten intakte Familien begegnet. Niemand muss seine Eltern lieben!!! Ich denke, die aktuellen Schauernachrichten über gequälte und missbrauchte Kinderleichen, die aus gefüllten Kühltruhen, Sporttaschen, Kellermauern usw. herausgeborgen werden, sind meiner Meinung nach ein Indiz dafür, wie lächerlich es ist, einen solchen Befehl heutzutage ernsthaft auszusprechen! Ich meine, wir leben in einer verrohten Realität, in der wir immer wieder damit rechnen können, dass frustrierte Eltern mal so eben aus Frust und Langeweile ihr Baby mit dem Kopf an die Wand schleudern oder es in den Ofen schieben...
Haben solche Monster Liebe verdient ??? Ich weiß es nicht, aber über Selbstjustiz möchte ich mich hier lieber nicht auslassen. Ich kann mich mit dem Text zu "Vaterliebe" sehr gut identifizieren, nur deshalb gibt es diesen Song von mir! Meine Familie ist zersplittert und kaputt und das Thema beschäftigt mich immer mal wieder.


Mit "Kindertotenlied" vertonst du ein Gedicht von Friedrich Rückert aus dem Jahre 1872. In welchem Zusammenhang bist du auf Rückert gestoßen und wie würdest du dieses Gedicht interpretieren?
Das Astan-Musikmagazin hat für den im letzten Jahr erschienenen THANATOS-Sampler Musiker gesucht, die Interesse daran zeigten, Gedichte längst verstorbener Dichter zu vertonen. Alle Gedichte handeln vom Tod. Ich entschied mich für das von Friedrich Rückert geschriebene "Kindertotenlied", da das im Gedicht aufgegriffene Thema, der Tod eines geliebten, eigenen Kindes (aus welchen grausamen Gründen auch immer) ständig aktuell ist. Beim Hereinfühlen in die Thematik spürte ich, dieses Thema möchte ich mal auf eine andere Weise an die Öffentlichkeit und an den Hörer herantragen. Musik berührt den Menschen glücklicherweise noch mal ganz anders, als z.B. die Nachrichten. Ich denke, je öfter Leute in den Nachrichten von Verbrechen an Kindern oder z.B. vom Kindstot hören, umso weniger berührt´s den Konsumenten. Als Sänger nehme ich in dem Song die Position eines Vaters ein, der sein über alles geliebtes Kind auf grausame Weise verloren hat. Dieses wollte ich aber eben, gerade weil es ein so schweres Thema ist, wiederspruchsliebend als Discoknaller rüberbringen ; )


Was hat es mit der "rückwärts" (?) erzählten ersten Strophe in "Single" auf sich?
Nicht nur die erste Strophe, sondern auch die letzten Sätze sind zum eigenen Schutz tatsächlich rückwärts aufgenommen worden. Ich dachte mir bei der Aufnahme, "Na wartet, all Ihr vermeintlichen Freunde" und lasse mich da ein wenig darüber aus, wie Lügen und andere Entäuschungen schmerzen können. Sicherlich werde ich noch öfters die Möglichkeit nutzen, "Klartext" zu sprechen, darüber können sich Einige jetzt schon freuen, har har harrrrrrrrrr


Wie entstand die Idee die Stücke mit zwei Instrumental Songs einzurahmen und was steckt hinter "Nordfriesland"?
Hm, also ich zähle ja drei Instrumentalstücke, zumindest auf dem gesammten Album ; )
Ich mag Instrumentalsongs, die lassen den Hörer noch einmal eine andere, freiere Möglichkeit, seine eigenen Gedanken und Eindrücke zur Musik entstehen zu lassen. "Nordfriesland" könnte eventuell die Stimmung eines Menschen ausdrücken, wenn dieser dort auf einem Dorf, ein Leben fernab vom Fernsehprogramm und Kartoffelchips führen möchte, dadurch allerdings vom Dorfvolk als Aussätziger behandelt wird und nur noch in seiner Welt aus Träumen und Wünschen zu überleben vermag. Solange ihn die Drogen nicht dahinraffen...


Im Dezember gab es ein tolles Festival mit dir. Warst du vom Zuschauerzuspruch enttäuscht?
Das anwesende Publikum bei der "New Blood From The Dark Party" tanzte bei meinem Auftritt zum Teil, gab heftigen Beifall und forderte eine Zugabe von mir. Auch nach dem Konzert gab es positive Resonanz und selbst der Merchandising - Stand war nicht umsonst : )
Schade war allerdings, dass insgesamt sich nur wenige Leute aufraffen konnten, sich einem reinen Newcomer-Abend reinzuziehen. Es waren ca. 50 Gäste anwesend, trotzdem waren alle Bands, die Shadow-Minds, The Dark Unspoken und wir von Rebentisch zufrieden. Besonders angenehm war die geniale, entspannte Stimmung unter den Musikern!!!


Du machst seit einiger Zeit Musik und dein Bruder glaube ich auch. Die Probleme kleiner Bands werden immer exorbitanter, wo glaubst du sollte man ansetzen, dass Musik nicht immer weiter in den Massenkonsum abdriftet?
Richtig, mein Bruder ist musikalisch im Hardrock und Metalbereich tätig. Sollte es für "kleine" Bands und Musiker tatsächlich noch eine wirkliche, faire Chance geben? Ich gehe davon aus, dass die meisten Leute sich eh nicht dafür interessieren, was alles für Potenziale zerstört werden. Die "Ich bin mir selbst der Nächste" oder die "Geiz ist geil"- Gesellschaftsmasse hat sich mittlerweile so ausgewalzt, dass nur noch den Musikern Hoffnung zu machen ist, die sich mit wahren Freunden und Vertrauten schmücken können. Nur mit Vertrauen, Geduld und dem Herzen am richtigen Fleck ist noch was zu machen! Es müsste wieder Menschen geben, die weiterdenken und an die Musik der Zukunft interessiert sind. Newcomer brauchen anständige Auftrittsmöglichkeiten bei fairen Veranstaltern! Außerdem sollten sich die Musiker gegenseitig unterstützen und nicht bekriegen!!!
Ich meide jeden neidischen Musiker und breche jeden Kontakt, wo ich spüre, der Musiker denkt bloß an sich! Statt dessen zähle ich auf Kollegen, die ihr Herz am richtigen Fleck haben, wie z.B. The Dark Unspoken oder die Shadow-Minds!


Bereits mit den vergangenen Alben hast du bewiesen, dass dunkle Texte durchaus hier und da mit Pop-Melodien kokettieren können. Wenn der Zuspruch ausbleibt, könnte es eine Umkehr zum Impressionismus geben, bzw. die instrumentelle Seite experimentell als Schatten zum traurigen Text glänzen zu lassen?
Mich reizen Wiedersprüche, denn sie machen meiner Meinung nach, ein Thema interessant und lebendig. Außerdem kann es durchaus Spaß bereiten, zu irritieren und dadurch die Möglichkeit zu schaffen, Botschaften meiner Songs aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ich kann es nicht leiden, wenn im Bereich "Botschaft vermitteln", eine Sache sofort glasklar ist und man schon bevor ich den Mund aufmache weiß, dass getrost weggehört werden kann, da man ähnliches bereits bis zum Erbrechen von anderen Musikern kennt!


Hast du eigentlich noch Kontakt zu Marco, mit dem du damals "Damion in the Casket" ins Leben riefst?
Marco organisiert den Retro-Liveabend in der Honigfabrik in Hamburg am 18.02.2006, bei dem ich live neben Alien Scull Paint und Graphik Magazin zu sehen bin! Nähere Infos über www.rebentisch.de oder www.speciman.de ! Früher war unser Kontakt sicher um einiges intensiver, aber wir wissen beide, dass wir uns immer aufeinander verlassen können!!!


Da wir uns am Beginn eines neuen Jahres befinden, hast du dir Vorsätze für 2006 gemacht und was sind deine Ziele?
Ich habe mir geschworen, im neuen Jahr noch genauer zu schauen, auf was für "Menschen" ich mich einlasse, in jederlei Hinsicht! Ganz vorne an steht das Ziel, den Erfolg meiner Musik auszubauen und auf dem richtigen Weg zu bleiben. Ansonsten hoffe ich, sehr persönliche Probleme, die hier nicht hingehören, in den Griff zu bekommen und wieder ein paar wahre Freunde dazu zu gewinnen. Auf jeden Fall werde ich das neue Jahr wieder zum Leben nutzen ; )
Ich danke Dir sehr für das AMBOSS interview und Dein Interesse an mir als Musiker!


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